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VeloCore im Test: Fitness-Bike mit wankelmütigem Charakter

Das VeloCore soll durch Leaning-Technologie ein Fahrgefühl wie im Freien bieten. Das Konzept klingt spannend, hat aber seine Tücken.

Bowflex VeloCore Frau
© Bowflex

Geht es nach Bowflex, soll Indoor-Cycling nicht mehr nur im starren Sitzen, sondern auch im patentierten Leaning-Modus stattfinden. Das bedeutet: Fahrradfans können das VeloCore von einer Seite zur anderen neigen und sollen so die Bewegung des Radfahrens im Freien imitieren. Das Ergebnis ist laut Bowflex ein besonders intensives Training, das nicht nur Beine und Rumpf, sondern auch Arme und den gesamten Oberkörper kräftigt. Um dies zu erreichen, hat Bowflex das VeloCore mit einer zum Patent angemeldeten Sperrfunktion ausgestattet, die das Rad in einer stationären Position hält oder beim Lösen in den Leaning-Modus schaltet.

Produktdetails

  • 67,6 kg
  • 151,8 cm
  • Lieferumfang: Herzfrequenz-Armband, 2x Kurzhantel
  • 100 Widerstandsstufen
  • 2.799 € (mit 22″-Bildschirm)

VeloCore mit speziellem Leaning-Modus

Der entsprechende Verriegelungsknopf befindet sich an der Querstange direkt über dem Widerstandsregler. Drückt man ihn nach unten, wird das VeloCore entriegelt – zieht man ihn nach oben, wird die Verriegelung aktiviert. Das funktioniert einfach und problemlos. Aber ist der Leaning-Modus wirklich ein Kaufargument? Schwierig. Ja, es fühlt sich dadurch natürlicher an, indoor zu fahren. Das merkt man vor allem dann, wenn das Indoor-Bike nach einigen Minuten im Leaning-Modus wieder verriegelt wird. Aber steigert er auch die Trainingsleistung?

Velocore Leaning-Modus
Der Neigemodus beansprucht zusätzlich zu den Beinen Arme, Rumpf und Bauchmuskulatur. © Bowflex

Bowflex zitiert Studien, die Wirksamkeit und den höheren Energieverbrauch des Leaning-Modus belegen sollen. Etwa die der University of Wisconsin-La Crosse, die den VeloCore mit dem bekannten Peloton-Bike vergleicht. Demnach ergeben sich durch das „Leaning“ Vorteile wie „eine höhere Herzfrequenz beim Indoor-Cycling“, „14 Prozent höherer Energieumsatz“ sowie „höhere Muskelaktivierung in mehreren Muskelgruppen (u.a. Rumpf und gesamter Oberkörper)“. Der Tester konnte ebenfalls eine leichte Erhöhung der Belastung und des Kalorienverbrauchs feststellen.

Velocore Leaning-Schalter
Durchs Drücken des Verriegelungsknopfs aktiviert der Sportler den speziellen Leaning-Modus. © IMTEST

VeloCore: Stabiles Design mit vielen Extras

Unabhängig vom Leaning-Modus erinnert das VeloCore vom Design her ans Peloton-Bike. Das muss nichts Schlechtes heißen, im Gegenteil: Optisch macht es eine sehr gute Figur. Auch die Verarbeitung des Indoor-Bikes ist top. Durch den massiven Rahmen ergibt sich ein Gesamtgewicht von 67,6 Kilogramm bei Abmessungen von 151,8 × 61,2 × 133,6 cm (L × B × H). Entsprechend groß ist der Platzbedarf, zumal für den Lean-Modus links und rechts mindestens 30 cm frei bleiben müssen. Bowflex empfiehlt einen Freiraum von 2,1 × 1,5 m.



Sattel und Lenker sind über Schnellspanner stufenlos verstellbar – viele andere Fahrräder haben nur feste Rastpunkte. Der Riemenantrieb in Kombination mit dem Magnetwiderstand für das Schwungrad sorgt für ein leises Fahrgeräusch, so dass man es beim Training nicht mit lauter Musik übertönen muss. Darüber hinaus bietet das VeloCore zahlreiche Ablagemöglichkeiten: eine Handyhalterung unter dem Multigriff-Lenker, eine Tablet-Halterung an der Unterseite der Konsole, zwei Trinkflaschenhalter und integrierte Hantelhaken für die mitgelieferten 3-Pfund-Hanteln. Fester Bestandteil des VeloCore ist zudem ein Bildschirm, den es wahlweise mit 16 oder 22 Zoll-Durchmesser gibt. Die getestete 22 Zoll-Variante erwies sich als hell und selbst mit schwitzigen Fingern gut bedienbar. Unterhalb des Bildschirms – nicht direkt im Blickfeld – befindet sich optional eine Tablet-Halterung.

Fitness-Bike mit Bildschirm: Vor- und Nachteile

Aus Sicht von IMTEST sind fest installierte Bildschirme wie beim VeloCore ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bieten sie eine ideale Position für die Darstellung von Trainingsinhalten. Andererseits bezahlt man für einen Bildschirm einen (meist) unverhältnismäßig hohen Aufpreis. Hinzu kommt, dass fest installierte Bildschirme nur für das Training und nicht für andere Zwecke genutzt werden können. Vor allem aber zwingen sie den Käufer mehr oder weniger dazu, ein Abonnement für einen bestimmten Dienst abzuschließen.

JRNY Trainings
Bowflex hat die JRNY-App in den letzten Jahren weiterentwickelt und neue Kategorien hinzugefügt. © Bowflex

Zwar ist im Falle des VeloCore ein JRNY-Abo (sprich: Journey) keine Voraussetzung für das Training, aber ohne Abo fehlt der Zugriff auf sämtliche Inhalte und man nur ohne Anweisungen auf dem Rad trainieren. Ohne Abo fehlen auch die Zugänge zu Streaming-Apps oder Workouts von Drittanbietern (dazu später mehr). Um es kurz zu machen: Ohne Abo hat das Display im Prinzip keine Funktion mehr. Dazu muss man wissen: Mit rund 20 Euro pro Monat oder 155 Euro im Jahr sind die Kosten nicht ohne.

JRNY: Trainingsinhalte mit Luft nach oben

Die Inhalte von JRNY lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen: Adaptive Workouts mit einem virtuellen Trainer (etwa in Kombination mit Netflix-Streams), Video-Workouts mit menschlichen Trainern „Explore the world“-Videos, die Fahrten in reizvollen Umgebungen wie durch Städte, Parks und Landschaften auf der ganzen Welt simulieren sollen. Dazu gibt einige Ganzkörper-Workouts. 

Velocore Streaming
Durch die Möglichkeit, Training mit Streaming zu verbinden, vergehen die Workouts oft wie im Flug.

Das Highlight von JRNY sind die Adaptive Workouts. Ein Abo vorausgesetzt, laufen neben den Trainingsanweisungen (entscheidend ist die vorgegebene Intensität) ausgewählte Apps wie Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ (entsprechende Mitgliedschaften vorausgesetzt), die besagten Explore the world-Videos oder Musiksender. Das heißt: Man kann zum Beispiel seine Lieblingsserie schauen und gleichzeitig trainieren. Das gibt es bei anderen Trainingsplattformen so nicht. Allerdings lässt die Bildqualität zu wünschen übrig. Es sieht so aus, als würden die Inhalte in niedriger Auflösung abgespielt. Pixelbrei und Artefakte sind die Folge. Auch Training-Apps wie Peloton und Zwift lassen sich mit dem VeloCore koppeln. In diesem Fall laufen die Inhalte selbst nicht auf dem Bildschirm des VeloCore, sondern über Smartphone oder Tablet.

Velocore Training mit Trainer
Um den Trainern bei JRNY folgen zu können, sind gute Englischkenntnisse gefragt. © Bowflex

Bei den Trainingskursen gibt es Licht und Schatten. Zwar sind die Trainer motivierend und größtenteils sympathisch, aber es gibt keine Inhalte in deutscher Sprache (auch die Menüs sind englisch). Wer kein gutes bis sehr gutes Englisch spricht, wird nicht allen Anweisungen folgen können, da zudem grafische Elemente zur Unterstützung fehlen. Darüber hinaus bietet die Plattform keine Live-Kurse an, in denen sich Sportlerinnen und Sportler mit ihren Freunden oder anderen Teilnehmern messen können.

Explore the world bei JRNY
Die “Explore the world”-Videos hören sich zwar spannend an, die Umsetzung ist allerdings schwach. © Bowflex

„Explore the world“ klingt zwar spannend, aber die Umsetzung ist unterm Strich ernüchternd. Wer glaubt, in schöner Umgebung von A nach B fahren zu können, wird enttäuscht. Ein echtes Immersionsgefühl kommt nie auf, da die Videos immer wieder durch Schnitte unterbrochen werden. Zudem landet der Fahrer nach wenigen Minuten wieder am Start und muss von vorne beginnen. Hinzu kommen Unzulänglichkeiten wie viel zu langsame, unpassende Geschwindigkeit, schwache Bildqualität und veraltetes Videomaterial (zum Beispiel „Las Vegas“ – mit Werbetafeln der 90er Boygroup „Boyz II men“).

Unsichtbares, maßgeschneidertes Training

Besonders stolz ist Bowflex auf den „selbstlernenden“ Charakter seiner Trainingsplattform JRNY. So soll das System den Nutzer mit jedem Training besser kennenlernen. Entsprechend soll das Fitnessniveau eingeschätzt und sich das Training automatisch anpassen („Adaptive Workouts“). Diese sollen sich zusätzlich an der verfügbaren Zeit, der Stimmung und anderen Faktoren orientieren. Das große Problem dabei: Der Nutzer bekommt von den Anpassungen im Hintergrund nichts mit. Falls eine Bewertung stattfindet, behält JRNY die Ergebnisse für sich, es gibt weder Auswertungen noch Fortschrittsanzeigen. Im Test haben sich die vorgeschlagenen Trainingseinheiten gefühlt auch nach über 600 Testkilometern weder in der Länge noch in der Intensität verändert. Unabhängig davon macht das geschlossene System aus IMTEST-Sicht wenig Sinn, da es Aktivitäten außerhalb des JRNY-Kosmos nicht erfasst.

Powermeter Velocore
Erstaunlich: Eine gekoppelte Garmin-Smartwatch erfasst die Leistung in Watt. Auf dem VeloCore selbst erscheinen diese Daten nicht. © IMTEST

Die technischen Macken des VeloCore

Dazu kommen einige fragwürdige Dinge, die IMTEST bei einem Premium-Produkt wie dem VeloCore nicht erwartet hätte. Einige Beispiele:

  • Unzuverlässig: Immer wieder kam es während des Tests zu technischen Problemen. Mal stürzten die adaptiven Trainings ab, mal starteten Streams nicht, die WLAN-Verbindung streikte oder der Bluetooth-Kopfhörer musste neu gekoppelt werden (vor allem nach dem Aufwachen aus dem Standby). Nervig ist es auch, wenn mitten im Training ein Android-Update aufpoppt, das sich nicht wegklicken lässt. Mehr als einmal haben solche Bugs nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch Trainingsdaten gekostet.
  • Keine Geschwindigkeitsanzeige: Das VeloCore zeigt keine Geschwindigkeit an. Sie wird zwar berechnet – eine Distanzanzeige ist schließlich vorhanden – aber dem Benutzer nicht angezeigt. Auf Anfrage schreibt Bowflex dazu, dass es sich um eine Metrik handle, die nicht im Mittelpunkt des JRNY-Velocore-Erlebnisses stehe. Vielmehr ginge es darum, seine Fitness ganzheitlich zu verbessern und andere Messwerte wie Kalorienverbrauch und Herzfrequenz eine wichtigere Rolle spielen. Zudem könne man die Trainingsplattform Zwift nutzen, wenn man sich auf Geschwindigkeit konzentrieren wolle.
  • Versteckter Powermeter: Das VeloCore verfügt über einen Powermeter. Der Wattmesser tritt aber nur in Verbindung mit einer Smartwatch wie der Garmin Epix in Aktion. Wer keine solche Uhr besitzt, bekommt die nützlichen Leistungswerte nicht angezeigt. Bowflex zu diesem Phänomen: Man setze auf die Metrik “Kalorienverbrauch” und nicht Watt, da dies ebenfalls besser zum VeloCore passe. Erneut folgt ein Verweis zu Zwift, wo sich die Metrik erfassen ließe.  
  • Keine Distanzübermittlung: Wer seine Radaktivitäten gerne mit Strava trackt, ist mit dem VeloCore schlecht beraten. Das Indoor-Bike überträgt zwar Daten wie Leistung und Trittfrequenz an einige Smartwatches, nicht aber Distanz und Geschwindigkeit. Eine nachträgliche Bearbeitung der Werte ist leider nicht möglich, genau wie eine direkte Kopplung mit Strava. Doch für viele ambitionierte Radfahrer gilt: “Was nicht auf Strava steht, ist nicht passiert“.

Fazit

Viel Licht, aber auch viel Schatten beim Bowflex VeloCore. Auf der einen Seite ist das Indoor-Bike top verarbeitet, erstklassig ausgestattet, läuft leise und macht Spaß. Vor allem durch den einzigartigen Leaning-Modus, der ein natürlicheres Trainingsgefühl erzeugt, als andere Spinning Bikes. Klasse ist auch die Möglichkeit, während des Trainings auf dem großen Bildschirm seine Lieblingsserie zu genießen. Auf der anderen Seite gibt es viele fragwürdige Dinge im Zusammenspiel mit der Software. Neben einigen Bugs und merkwürdigen Designentscheidungen (Powermeter; Geschwindigkeit) ist hier vor allem die Plattform JRNY zu nennen, deren Inhalte im Test nicht auf ganzer Linie überzeugen konnten. Da der Bildschirm des VeloCore aber ohne JRNY seine Funktion verliert, sollten sich Interessierte vor dem Kauf zumindest ein paar Probetrainings ansehen.

  • PRO
    • Schicke, stabile Hardware; Leaning-Modus sorgt für natürlicheres Fahrgefühl.
  • KONTRA
    • Software zum Teil buggy; ohne kostenpflichtiges Abo kaum nutzbar.

IMTEST Ergebnis:

gut 2,5