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Starfield im Test: No Man‘s Skyrim

12 Jahre nach Skyrim kommt das neue Action-Rollenspiel für Solisten.

Artwork von Starfield.
© Bethesda

Jetzt geht es um alles: Das neue Action-Rollenspiel der Macher von Skyrim und Fallout kommt exklusiv für Xbox Series X|S und den PC. Kann Microsoft, das sich die Entwickler vor über zwei Jahren für den Kaufpreis von sieben Milliarden Euro einverleibt hat, endlich den erhofften Superhit landen? IMTEST hat nach rund 50 Stunden mit dem Weltraum-Abenteuer die heiß erwartete Antwort.

Produktdetails

  • PC, Xbox Series S|X
  • 79,99 Euro (enthalten im Gamepass)
  • 100+ Stunden
  • Ab 16 Jahren
  • 139 GB
  • Action-Rollenspiel

Die Zeit des Wartens

Seit Anbeginn der Menscheitsgeschichte ist die Utopie von der Erkundung des Weltalls eine tiefschürfende Begehrlichkeit. Sei es aus monetären, esoterischen oder existenziellen Gründen: Der Griff nach den Sternen ist ein Traum, den der Mensch niemals aufgehört hat zu träumen. Gefühlt ein ähnlich langer Zeitraum ist vergangen, seit die Entwickler von Bethesda an einem neuen Spiel schrauben, das den Spieler endlich wieder in Welten entführt, die noch nie ein Spieler zuvor gesehen hat. Nicht umsonst wurden bis heute 60 Millionen Einheiten des RPG-Hits Skyrim (2011), das aus der besagten Spieleschmiede stammt, verkauft. Jetzt ist es endlich soweit.

Mit Starfield stellen die Entwickler nach über acht Jahren Entwicklungszeit ihr brandneues Action-Rollenspiel vor. Dieser Titel ist nicht irgendein dahergelaufener Wettbewerber, schon in den Vergangenheit hat Bethesda bewiesen, dass sie beim Kampf um die Rollenspielkrone ganz vorne mitspielen. Als wäre die Anspannung nicht schon groß genug: Nach über zweieinhalb Jahren auf dem Markt wird es langsam Zeit, dass die Xbox Series S|X endlich ein Spiel bekommt, das den Kauf der ganzen Konsole rechtfertigt, sofern Spieler nicht über einen leistungsstarken PC verfügen. Ist Starfield also die erhoffte Killer-Applikation für die Microsoft-Konsole?

Die perfekte Illusion

Das Jahr 2328: Ein langer Tag in den Minen des Arcos-Konzerns, Vorarbeiterin Lin schickt Sie noch zu einem letzten Steinhaufen, der per Bergbau-Laser abgegebaut werden muss. Doch was ist das? Unter dem Mineral ist ein pulsierendes Leuchten zu erkennen, ein Stück eines seltsam beschrifteten Fragments ragt aus dem Gestein. Vorsichtig strecken Sie ihre Hand nach dem metallenen Gegenstand aus, sehen und hören für den Bruchteil einer Sekunde Dinge, die Sie niemals wieder vergessen werden. Zuviel für den Geist eines Menschen, fordert das Erlebnis seinen Tribut. Sie werden ohnmächtig und kommen erst Stunden später langsam wieder zu sich…

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Die Wissenschafter der Organisation Constellation sind dem Geheimnis der Artefakte auf der Spur. Nach Gesprächen werden Sie zum Kopf der Suchmannschaft ernannt. © Bethesda

Lin hat die Obrigkeit bereits über die seltsamen Ereignisse informiert und begleitet sie im Aufzug zur unwirtlichen Oberfläche des Mars. Der Raumanzug bietet Schutz, dennoch müssen Sie die Augen zukneifen, als die glühenden Triebwerke eines Raumschiffs, das mit ohrenbetäubendem Getöse zur Landung ansetzt, die Sicht erhellen. Die Ladeluke öffnet sich und Captain Barret stellt sich Ihnen als Abgesandter der Forschergruppe Constellation vor. Dieser uralte Zusammenschluss hat es sich zur Aufgabe gemacht, die seltsamen Artefakte, die überall in der Galaxis verstreut sind, zu finden und zu erforschen. Barret bittet Sie, ihren Fund schnellstens in das Hauptquartier der Constellation nach New Atlantis zu bringen und dort weitere Schritte mit den Mitgliedern zu besprechen. Der Beginn einer Reise, die schon in den ersten Spielminuten einen Sog entfaltet, wie er lange nicht vor dem Bildschirm zu spüren war.

Captain Picard lässt grüßen

Sie sind nun nicht nur stolzer Besitzer Ihres ersten, eigenen Raumschiffs, sondern bestimmen ab diesem Punkt, wohin Sie Ihr Abenteuer führen wird. Der Spielplatz für die nächsten 100 Stunden: die unendlichen Weiten des Weltalls. Sicher ist, dass Sie ab sofort der Captain des Raumschiffs Frontier sind und der Constellation nach ihrem Vorstellungsgespräch dabei helfen sollen, das Geheimnis zu lüften, das die Artefakte in sich bergen. Zu Beginn erstellen Sie dafür eine ganz eigene Spielfigur, bestimmen Aussehen, Herkunft, Zugehörigkeit und den vergangenen Lebenslauf. Schon das kleinste Detail bei der Auswahl kann und wird kleine wie große Momente im Spielverlauf beeinflussen und ihnen so ein Spielerlebnis präsentieren, dass kaum ein anderer Starfield-Spieler genauso erleben wird.

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Als Mitglied der Constellation steht es Ihnen frei, Sarah den Wunsch zu erfüllen, Sie begleiten zu dürfen. © Bethesda

Denn die Auswahl der zur Verfügung stehenden Aktivitäten kennt kaum Grenzen. Sie wollen, was ratsam ist, erst einmal ein paar Stunden mit der Hauptgeschichte verbringen? Sie möchten nach Feierabend die Oberfläche eines bestimmten Planeten ausgiebig erforschen, Flora und Fauna erkunden und scannen, dabei wertvolle Rohstoffe abbauen und nebenbei einen Abstecher zu einer verlassenen Fabrikanlage in der Ferne unternehmen? Oder geht es im Weltraum ein paar schießwütigen Piraten an den Kragen, denen Sie mit den Bordgeschützen die Schiffshülle aufschweißen, um deren Raumgleiter dann zu kapern oder in eine gewaltige Explosion zu verwandeln? Natürlich können Sie sich auch erst einmal in aller Ruhe in New Atlantis umsehen, die glitzernden Wolkenkratzer bestaunen, Geschäfte nach neuer Ausrüstung durchstöbern und dabei einen Plausch mit dem ein oder anderen Charakter führen, um vielleicht eine lohnende Nebenaufgabe zu bekommen? Machen Sie einfach, was Sie wollen!

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Die spannenden und optisch beeindruckenden Weltraum-Gefechte gehören ab sofort zu Ihrem Alltag. © Bethesda

Vom Forschen, Verhandeln und Kämpfen

Im Zentrum aller Bemühungen, wie sollte es in einem Rollenspiel auch anders sein, steht die Weiterentwicklung und Verbesserung der eignen Spielfigur. Das geht von Außen nach Innen: Ein besserer Raumanzug bietet mehr Schutz vor eisiger Kälte, extremer Hitze, Radioaktivität oder etwaigem Beschuss durch Laser- oder Projektilwaffen. Für letzteres ist eine durchschlagende und vielfältige Ausrüstung mit diversen Schießeisen nötig. Sind Piraten im Gefecht eher anfälliger für eine ballistische Herangehensweise, sind riesige und gefährliche Monster ein Fest für Granat- oder Flammenwerfer. Dazu kommen die entsprechenden Fähigkeiten, die Ihnen viele Situationen ebenfalls erleichtern können, wenn die Waffen stumm bleiben. Für jeden Levelaufstieg gibt es einen Punkt, der in verschiedenen Kategorien vergeben werden kann: Physis, Soziales, Wissenschaft, Technik, Sicherheit und Kampf. Insgesamt 82 Skillpunkte können im Spielverlauf so vergeben werden, dass auch diese Auswahl den eigenen Spielstil perfekt unterstreicht.

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Das Talent, die Gesprächspartner von Ihren eigenen Anliegen zu überzeugen, ist in Starfield von großer Wichtigkeit. © Bethesda

Die Mechanik ist in Starfield allerdings etwas anders als noch in Skyrim. Entscheiden Sie sich beispielsweise dafür, mehr Überzeugungskraft in Gesprächen an den Tag legen zu können, dann vergeben Sie zuerst einen Punkt unter der Kategorie “Soziales” in das Talent “Überzeugungskraft”. So hätten Sie eine um zehn Prozent höhere Chance, das unwillige Gegenüber einzulullen. Damit die gewählte Fähigkeit aktiv wird, muss es Ihnen zuerst fünf Mal gelingen, ohne den Bonus die richtigen Worte zu wählen. Erst dann ist die Fähigkeit aktiv und kann dann weiter ausgebaut werden. Ein kluger Schachzug der Entwickler, denn erst bei der Nutzung der Talente in den verschiedensten Lebenslagen, merken Sie, ob die gewählte Fähigkeit bei Ihrer Art, das Spiel zu spielen, auch wirklich greift und sinnvoll angelegt ist.

Die Glaubwürdigkeit des Unglaublichen

In Starfield warten unglaubliche 250.000 Zeilen gesprochener Dialog, das ist mehr als in Fallout 4 und Skyrim zusammen! Bombastische Zahlen sind eine Sache, viel interessanter wird es jedoch, wenn Sie am eigenen Leib erfahren, wie gut, lippensynchron, spannend und vielschichtig die Gespräche sind, die Sie mit den zahllosen Personen, denen Sie auf der Reise begegnen, führen werden. Sie werden lachen, schmunzeln, staunen, auch mal ein Tränchen vergießen und sehr viel nachdenken. Denn die Auswahl der Antworten Ihrer stummen Spielfigur sind so toll und abwechslungsreich geschrieben, dass sich scheinbar ein wirkliches Gespräch entwickelt, das noch lange nachhallt, selbst wenn PC oder Xbox längst aus sind. Hier gelingt es den Entwicklern, einen Bezug zu den Charakteren im Spiel herzustellen, der seinesgleichen sucht. Selbst Schwergewichte wie Witcher 3, Mass Effect 2 oder das hauseigene Skyrim können in dieser Disziplin nicht mithalten.

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Sie wollen sich den Star-Sheriffs anschließen? In dieser Bar auf einem weit entfernten Planeten wartet die entsprechende Kontaktperson. © Bethesda

Das gilt auch für die Art, in der die Aufgaben gestaltet wurden. Von kleinen aber putzig gemachten Nebenquests bis hin zu den ganz großen Hauptmissionen sind alle Aufgaben in Starfield auf höchstem Niveau und lassen der Langeweile keine Chance. Das liegt zum einen an den abwechslungsreichen Ideen, zum anderen an den Locations, an denen sie stattfinden. Eine düstere, weit über 500 Meter in den Boden ragenden Mine, hell erleuchtete, blank polierte Räume einer Botschaft oder eine schummrige Bar im Western-Stil, sind nur einige Beispiele für die Örtlichkeiten, die Ihnen ob der vorherrschenden Stimmung und einer fast unvergleichlichen Detailverliebtheit beinahe den Atem rauben werden. Als Sahnehäubchen erklingt ein phantastisch arrangierter Soundtrack, der jede Situation, sogar den Startbildschirm, atmosphärisch maximal unterstreicht.

Ein Screenshot aus dem Spiel Starfield
Nicht nur im Weltraum knallt‘s: Auch die Gefechte am Boden haben explosiven Charakter. © Bethesda

Technische Stolpersteine

Starfield wird von der Engine angetrieben, mit der bereits Fallout 4 und Skyrim laufen gelernt haben. Sie ist also einerseits veraltet, wurde andererseits aber natürlich in den Jahren der Entwicklung ständig verbessert. Das sieht man in den famos beleuchteten Innenräumen, besonders wenn das Licht nur spärlich einfällt, trumpft das Spiel zwischen Licht und Schatten ganz groß auf. Das gilt ebenso für die Abbildung des Raumschiffs oder riesiger Bauwerke in der Ferne, denen Sie sich langsam nähern. Was in einer gedachten Realität groß ist, macht hier auch den Eindruck, wirklich gewaltig und riesig zu sein. Ebenfalls Gegenstand der Diskussion ist die Darstellung der Gesichter von Gesprächspartnern in Dialogen. Sie wirken immer noch leicht puppenhaft, auch die Mimik ist nicht immer optimal. Dennoch ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu Skyrim zu sehen, das Zusammenspiel von gesprochenem Text und dem passenden Gesichtsausdruck hinterlässt insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck.

Die Bildwiederholrate liegt auf der Xbox Series X bei 30 Bildern pro Sekunde, mehr war laut den Entwicklern nicht drin. Rennen Sie durch Areale mit vielen Details kann die Framerate für einen kurzen Moment sogar darunter liegen. Ab und zu gibt es kleinere Pop-Ups von entfernten Objekten und einige, der sonst scharfen und detailreichen Texturen, verlassen den Status der niedrigen Auflösung nur spät oder gar nicht. Verschmerzbare Mankos, wenn man die Größe der Spielwelt in Betracht zieht. Quest-Stopper oder andere Bugs, die das Spielgefühl empfindlich beeinflussen, sind im Testzeitraum von rund 50 Stunden nicht zutage getreten. Was unangenehm auffällt sind Anzahl und teilweise die Länge der Ladezeiten. Entsprechend von der sonst fixen SSD verwöhnt, werden Sie oft daran erinnert, das haufenweise Daten hin- und hergeschoben müssen und die Wartezeiten schon einmal bis zu 15 Sekunden betragen können.

Fazit:

Stellen Sie sich einen Mixer vor, der folgende Zutaten enthält: Für das Forschungs-Aroma und den Geschmack nach Weltraum, Erkundung und Abenteuer zuerst eine Prise No Man‘s Sky und ein Quentchen Wing Commander. Dazu eine Note Skyrim für den vollen Genuss von aberwitzigen Dialogen und Erlebnissen und zur Abrundung noch jeweils einen Klacks Fallout 3 und 4, damit auch die krachenden Schießereien einen Platz im Gaumen bekommen. Nun einmal ordentlich durchmixen und schon kommt ein köstliches Starfield heraus, das Sie nun noch entsprechend Ihrem eigenen Spielstil und Ihrer eigenen Spielgeschwindigkeit nachwürzen können. Auch kleinere, technische Kinkerlitzchen und eine Bildwiederholrate, die besonders Xbox-Besitzern mit OLED-TV‘s, sauer aufstößt, bis sich das Gehirn an die horizontale Schmiererei gewöhnt hat, können das Endergebnis kaum schmälern: Starfield ist der neue, helle Stern am Firmament der Action-Rollenspiele. Für nicht wenige Spieler dürfte der Traum von einer eigenen Karriere als Captain eines Raumschiffs in einer Welt voller spannender Ereignisse und Figuren nun endlich in Erfüllung gehen.

  • PRO
    • Riesige Spielwelt, viel Abwechslung, denkwürdige Quests und Figuren, starke Optik, individuelles Spielerlebnis für jeden Spieler, phantastischer Soundtrack.
  • KONTRA
    • Kleinere, technische Ungereimtheiten, nur 30 Bilder pro Sekunde auf Xbox, viele, teils etwas längere Ladezeiten.

IMTEST Ergebnis:

sehr gut 1,2