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Warum Laufen besser ist als Tinder

Beim Sport die große Liebe finden? Das geht, ganz ohne Online-Dating.

Zwei Personen laufen unter freiem Himmel.
© Freepik

Gerade in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München gibt es immer mehr Singles. Und die Online Dating-Plattformen boomen. Zurück zum echten Kennenlernen, fordert unser Kolumnist. Mit dem Laufen zur großen Liebe? Ohne App, ganz live? Ja, das geht!

Ich war neulich mit einem Freund auf einer recht großen Party. Um uns herum extrem viel Flirtpotential, extrem viele, doch sehr attraktive Menschen. Er ist ein Typ, den sich ungefähr 90% aller meiner weiblichen Single Frauen wünschen. Kantig, sportlich, intelligent, guter Style, ein Mix aus coolem Hund und Frauenversteher, erfolgreich im Job, und er sieht dazu auch noch verdammt gut aus. Das muss ich selbst als Mann neidlos anerkennen. Immer und immer wieder tippte er während der Party auf seinem Handy herum. Und murmelte dabei Dinge wie: „Nee, ich will nicht zu Whatsapp wechseln. Nein. Ja. Nein…die Nächste bitte…Oh Gott…geil.“ 



Eine App, die alles so einfach macht

Mein Freund ist schon lange süchtig nach Tinder. Er denkt nur noch in links und rechts. Die blonde unfassbar schöne Frau direkt neben ihm, die ihn ständig anlächelte, hatte er gar nicht gesehen. Vor der Veranstaltung waren wir noch zusammen 20 Kilometer laufen. Und es gab kaum eine Frau die uns entgegen kam, die ihm nicht wenigstens einen Augenkontakt schenkte. Ich kenne nicht viele Menschen, die so eine Ausstrahlung haben, und die sich dessen so gar nicht bewusst sind. Und noch viel absurder: Selbst wenn sie es wissen, es ist ihnen egal, es gibt ja Tinder. Und dort ist augenscheinlich doch alles viel einfacher. Nicht nur, dass mich dieser anhaltende Tinder-Boom nervt, ich verstehe ihn einfach nicht. „Ich mache Sport Mike, ich arbeite, ich esse, ich kümmere mich um meine Kinder wenn sie da sind, dann schlafe ich. Wann soll ich ne gescheite Frau kennenlernen?“, klare Antwort auf meine klare Frage, die ich ihm stellte: „Warum denn DU ausgerechnet bei Tinder, Mann?“

Zurück zum Lauftreff

Die traurige Wahrheit ist: So wie ihm geht es tausenden von Singles in ganz Deutschland. Das ist unsere Welt, das ist der Zeitgeist. Gesund ist das alles nicht, wenn ich all den wirren Online Dating Geschichten vieler Frauen und Männer um mich herum Glauben schenken darf. Selbst Facebook wurde recht schnell mehr und mehr zur Abschlepp-Maschine. Eine Schnittmenge haben viele Singles jedoch oft: Sie haben wenig Zeit, aber sie laufen trotzdem. Warum – so fragte ich meinen Freund – nicht einfach mal was völlig Verrücktes tun? Warum nicht mal Oldschool sein? In der realen Welt, und nicht digital Menschen kennenlernen? In jeder Stadt, in jedem noch so kleinen Ort, kommt eine Laufkultur gerade zurück, die sehr Achtziger ist. Der gute alte „Lauftreff“ erfährt durch ein Facelift eine Renaissance. Das Prinzip ist wie damals. Nur wirkt alles etwas cooler und hipper. „Running Communities“ ist der Begriff, der nicht nur sexy und modern klingt, der Gedanke der Laufgemeinschaft lebt plötzlich wieder mehr und mehr auf. Die Tide Runners in Hamburg zum Beispiel. Ein wilder Haufen von 40-80 Leuten, die sich jeden Mittwoch treffen um sich die „Stadt zu erlaufen“, wie sie sagen. Jeder Laufladen hat mindestens einmal die Woche seinen eigenen Lauftreff. In der Facebook Gruppe „Laufen in Berlin“ verabreden sich Menschen, man will es kaum glauben, zum Laufen. Ganz in echt. In der Hauptstadt, in Berlin. Das Konzept „Park Run“ ist stark auf dem Vormarsch. In über zwanzig Städten in Deutschland treffen sich Läuferinnen und Läufer in großen Parks, um miteinander zu laufen. Dabei kommt es nicht auf die Distanz oder die Zeit an. Hauptsache es läuft. Und so gibt es überall die Möglichkeit, Menschen live und in Farbe zu treffen, und so kann das Laufen wieder das tun, was es immer schon getan hat: Es verbindet, es schafft neue Beziehungen. 



Ein Happy End

Ich erzähle meinem gutaussehenden Freund von Bille und Andreas. Sie haben sich 2012 in einer Laufgruppe kennengelernt. Kurze Zeit später sind sie den Hamburg Marathon gemeinsam gelaufen. Der Marathon war Nebensache, sie redeten die ganzen 42 Kilometer. Die Zeit war ihnen völlig egal. Sie laufen noch immer. Heute als verheiratetes Paar. Und es gibt viele solcher wunderbaren Geschichten. „Ich kann aber nicht laufen, Mike. Ich hab´s ned so damit.“, sagte mir mein guter Freund. „Dann tinder halt weiter. Ich geh jetzt laufen“, sagte ich am Ende des Abends, und gab auf, ihn wieder auf die gute Seite der Macht zu ziehen. So läuft es eben auch manchmal, leider.