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Schnuller: Was Eltern über Zahnfehlstellungen wissen sollten

Schnuller können Zahn- und Kieferfehlstellungen begünstigen. Erfahren Sie, worauf Eltern achten sollten und wann der richtige Zeitpunkt zum Abgewöhnen ist.

Nahaufnahme eines Babys, es hat vor seinem Mund einen SChnuller
© Pexels / Caglar Gelmis

Schnuller sind bei vielen Babys und Kleinkindern heißgeliebte Begleiter – doch was bedeutet das für die Zahngesundheit und Kieferentwicklung? Studien zeigen, dass bei Kindern, die regelmäßig einen Schnuller benutzen, bestimmte Zahn- und/oder Kieferfehlstellungen wie offener Biss oder Kreuzbiss häufiger auftreten. Allerdings hängt das Risiko unter anderem auch von Faktoren wie Schnullerform, Nutzungsdauer und dem individuellen Saugverhalten ab. Auch der Zeitpunkt der Abgewöhnung spielt eine entscheidende Rolle.

Gleichzeitig zeigen Untersuchungen, dass Schnuller auch Vorteile haben können – etwa bei der Vorbeugung des plötzlichen Kindstods (SIDS). IMTEST hat hierzu Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff interviewt. Sie ist Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Münster und verrät, worauf Eltern unbedingt achten sollten.

IMTEST: Verursacht die Nutzung eines Schnullers Zahnfehlstellungen?

Porträit von Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff
Studien zeigen, dass ein verstärkter horizontaler Abstand zwischen den oberen und unteren Schneidezähnen, ein gestörtes Breitenverhältnis der Ober- und Unterkieferseitenzahnbereiche (sogenannter Kreuzbiss) sowie ein offener Biss bei Schnullerkindern häufiger vorkommen als bei Kindern, die nie einen Schnuller verwendet haben1 (n. B.: Stillen schützt übrigens auch vor Zahn- und Kieferfehlstellungen; je länger gestillt wird, desto besser scheint der diesbezügliche protektive Effekt zu sein2 und je länger gestillt wird, desto geringer sind auch für die Kieferentwicklung schädliche Angewohnheiten wie Schnuller- oder Daumennuckeln3).
Ob der Schnullereinsatz zu schädlichen Auswirkungen führt, hängt ab vom Kind (Wie saugt es am Schnuller?), vom Schnuller (Wie ist er geformt und beschaffen?) und von den Eltern (Wie oft und wie lange geben Sie den Schnuller?)1.
Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Münster

IMTEST: Wie lange sollten Kinder maximal einen Schnuller nutzen?

Porträit von Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff
Spätestens, wenn das Kind zu sprechen beginnt, sollte es keinen Schnuller mehr verwenden, zumindest nicht, wenn es aktiv und wach ist, das ist in etwa mit 12 Monaten der Fall1.
Spätestens ab dem 2. Lebensjahr (dieses beginnt nach dem ersten Geburtstag!) sollte mit der Abgewöhnung begonnen werden1, da dann auch kein Risiko mehr für den plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome (SIDS)) besteht (dieses tritt im Alter unter einem Jahr auf4, und das Risiko ist in den ersten 6 Lebensmonaten am höchsten5), andere Risiken, wie die Entstehung einer Mittelohrentzündung6 jedoch fortbestehen, bzw. steigen (die Entwicklung von Zahn- bzw. Kieferfehlstellungen7).
Der Einfluss eines Schnullers auf den plötzlichen Kindstod wird international unterschiedlich betrachtet: Während die österreichischen Pädiater der Verwendung des Schnullers zur SIDS Protektion eine untergeordnete Rolle zuschreiben1, empfehlen die deutschen Kinderärzte nicht gestillten Kindern einen Schnuller anzubieten, da Schnullerkinder besser geschützt sind5, 8, die
amerikanischen Pädiater für nicht gestillte Kinder die sofortige Gabe eines Schnullers, für gestillte Kinder, nachdem sich das Stillen gut etabliert (das ist in der Regel nach den ersten 2-3 Lebenswochen der Fall5) und das Kind begonnen hat, Gewicht zuzunehmen9.
Große Übersichtsarbeiten10 und die neueste deutsche Leitlinie5 bestätigen die Gabe eines Schnullers zur SIDS-Protektion auch bei gestillten Kindern. Für Frühgeborene wird die sofortige Verwendung eines Schnullers empfohlen, da dies den Übergang von der Sonden- zur Flaschenernährung und die Länge des Krankenhausaufenthaltes verkürzen kann11.
Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Münster

IMTEST: Gibt es eine Schnullerform, die besonders zu empfehlen ist?

Porträit von Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff
Es gibt keine Schnullerform, die einen bedenkenlosen Gebrauch des Schnullers erlaubt1. Alle Schnuller, ganz gleich wie sie geformt oder beschaffen sind, können als „kiefergerecht“, „orthodontisch“, „physiologisch“, „natürlich“ usw. beworben werden1, die Begriffe sind nicht an rechtlich definierte Kriterien (wie z. B. Form und Material) oder Durchführung von Studien geknüpft.
Die Übergangstelle, die zwischen den zunächst noch zahnlosen Kieferknochen und später zwischen den (Milch-)schneidezähnen liegt, sollte vertikal möglichst flach sein, um die Schneidezähne nicht daran zu hindern, aufeinander zuzuwachsen1, und in Richtung von „Ohr zu Ohr“ möglichst breit sein, um die Auflagefläche zu vergrößern (Druck = Kraft/Fläche, je breiter also die Fläche ist, desto geringer ist der Druck auf die Zähne/Kiefer).
Demgemäß sind Schnuller mit rundem Querschnitt (sogenannte Kirschform) weniger geeignet. Das Lutschteil sollte eine möglichst flache, querovale Form haben und möglichst flexibel sein, um die Zunge (= Gaumen- und Kieferformerin), möglichst nicht an ihrer Bewegung zu hindern1. Schnuller aus Latex sind weicher als Schnuller aus Silikon.
Der Schnuller sollte möglichst leicht sein, um die Muskulatur nicht zu überfordern um ein einseitiges, die Muskulatur / den Knochen/ das Gebiss belastendes Abgleiten zu vermeiden1.
Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Münster

1) https://www.paediatrie.at/ratgeber-broschueren/24-ögkj-broschüren/38-ögkj_brauchtmein-baby-einen-schnuller; abgerufen 19.05.25, 13:03 Uhr

2) Abate A, Cavagnetto D, Fama A, Maspero C, Farronato G. Relationship between Breastfeeding and Malocclusion: A Systematic Review of the Literature. Nutrients. 2020 Nov 30;12(12):3688. doi: 10.3390/nu12123688.PMID: 3326590

3) Ling HTB, Sum FHKMH, Zhang L, Yeung CPW, Li KY, Wong HM, Yang Y. The association between nutritive, non-nutritive sucking habits and primary dental occlusion. BMC Oral Health. 2018 Aug 22;18(1):145. doi: 10.1186/s12903-018-0610-
7.PMID: 30134878

4) https://www.kindernotfall-bonn.de/sids-ploetzlicher-kindstod/, abgerufen 19.05.25, 14:34 Uhr

5) https://register.awmf.org/assets/guidelines/063-002l_S1_Praevention-des-Ploetzlichen-Sauuglingstods_2022-12_01.pdf, abgerufen 19.05.25, 14:17 Uhr.

6) Garcia DS, Garcia KW. Pacifiers: Common Questions and Answers. Am Fam Physician. 2025 Mar;111(3):230-235.PMID: 40106289

7) Arpalahti I, Hänninen K, Tolvanen M, Varrela J, Rice DP. The effect of early childhood nonnutritive sucking behavior including pacifiers on malocclusion: a randomized controlled trial. Eur J Orthod. 2024 Oct 1;46(5):cjae024. doi: 10.1093/ejo/cjae024.

8) https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/images/Elternseite/ Elterninformationen/DGKJ_SCHLAF_19.pdfN; abgerufen 19.05.25, 13:21 Uhr

9) https://www.healthychildren.org/English/ages-stages/baby/sleep/Pages/Sleep-Position-Why-Back-is-Best.aspx? gl=1uir05l_gaMTA4NjgxMzIyMi4xNzQ3NjU1ODk5
ga_FD9D3XZVQQ* czE3NDc2NTU4OTgkbzEkZzEkdDE3NDc2NTU5MTEkaj AkbDAkaDA
; abgerufen 19.05.25, 14:00 Uhr

10) Kim TH, Lee H, Woo S, Lee H, Park J, Fond G, Boyer L, Hahn JW, Kang J, Yon DK. Prenatal and postnatal factors associated with sudden infant death syndrome: an umbrella review of meta-analyses. World J Pediatr. 2024 May;20(5):451-460. doi: 10.1007/s12519-024-00806-1. Epub 2024 Apr 29.PMID: 38684567

11) Foster JP, Psaila K, Patterson T. Non-nutritive sucking for increasing physiologic stability and nutrition in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Oct
4;10(10):CD001071. doi: 10.1002/14651858.CD001071.pub3.PMID: 27699765
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Schnullertest: Können die Markensauger im Labor überzeugen?

Für viele Babys und Kleinkinder ist der Schnuller ein unverzichtbarer Begleiter in vielen Situationen. Er verbringt so einige Stunden im Mund, weswegen sich nicht wenige Eltern fragen, ob das gesund ist. Unabhängig von möglichen Zahnfehlstellungen befürchten sie mitunter Chemikalien im Saugteil und im Schild. Ob sich Eltern diesbezüglich wirklich Sorgen machen müssen, verrät der Test, dem IMTEST jüngst veröffentlicht hat.



Namensherkunft, Reinigung, Norm: Was Eltern sonst noch alles über Schnuller wissen sollten, hat IMTEST hier zusammengefasst.

Kathrin Schräer hat an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Technikjournalismus studiert und ihr Studium als Diplom-Journalistin (FH) erfolgreich abgeschlossen....