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Atlas Fallen im Test: Auf Sand gebaut?

Nach Gollum ein neuer Aufschlag für ein deutsches Entwickler-Team.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
© Deck 13

Das neue Action-Rollenspiel des deutschen Entwicklerstudios Deck 13 entführt den Spieler in riesige, von Monstern und Rätseln durchsetzte Wüsten. Wartet hier feinkörnige Unterhaltung oder grobe Sandblindheit? IMTEST hat per Online-Koop-Modus 30 Stunden im Sand gewühlt.

Produktdetails

  • PC, PS5, Xbox Series
  • 59,99 Euro
  • 25 – 30 Stunden
  • Ab 12 Jahren
  • 21 GB
  • Action-Rollenspiel

Von Göttern und Menschen

Einst lebten Götter und Menschen in Frieden zusammen, doch diese Zeiten sind längst vorbei. Ein Streit unter den Allmächtigen – nachdem sich Nyaal, der Gott des Chaos, gegen den Willen des machthungrigen Thelos gestemmt hatte – beendete das Paradies. Nyaal verlor trotz seiner mächtigen Waffe den Kampf, nun war der Weg für Thelos frei, die Menschen zu versklaven und in Angst leben zu lassen. Das ist bereits über 1.000 Jahre her.

Sprung zur Jetzt-Zeit: Ein schwerer Sandsturm zwingt eine Karawane zur Rast in der Nähe eines Steinbruchs. Als namenloser Sklave macht der Spieler eine Entdeckung, von der er zu Beginn nur ahnen kann, dass sie das Ende der Tyrannei durch den Gott Thelos bedeuten könnte. Als er sich einen rostigen und unter dem Sand begrabenen Handschuh überstreift, durchfährt ihn eine uralte Macht und eine Stimme scheint ihm ab diesem Zeitpunkt den rechten Weg zu weisen. Wohin dieser führt und was der Handschuh mit der Befreiung der Menschheit zu tun hat, ist der Ausgangspunkt der neuen Actionspiels mit leichtem Rollenspiel-Einschlag. Die große Reise von Atlas Fallen beginnt genau hier.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Im gefundenen Handschuh versteckt sich der Geist der Gottes Nyaal. Er erklärt den beiden Spielern, die im Koop-Modus antreten, wie viel Arbeit vor ihnen liegt. © Deck 13

Eine riesige Sandkiste

Schnell wird klar, dass die Stimme, die der Träger des Handschuhs zu hören vermag, von Nyaal stammt. Also dem Gott, der damals im Kampf gegen Thelos unterlag und der sich nun in einem astralen Gefängnis befindet, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. So kann er dem Spieler nur in seiner Geist-Form zur Seite stehen. Trotz einiger Gedächtnislücken, ist er sich aber einer Sache sicher: Als Träger des Handschuhs besteht eine reelle Chance, sich an Thelos zu rächen und den Menschen des gebeutelten Reichs den Frieden wieder zu bringen. Dabei ist der metallene Handwärmer der Schlüssel und an Vielseitigkeit kaum zu überbieten.

Denn schon von Beginn an stehen dem Spieler mit dieser mystischen Waffe weit mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als nur krachende Backpfeifen an die überall umherstreifenden Monster zu verteilen. Die Fähigkeiten im Kampf sind dennoch die mit Abstand wichtigsten. Um diese und weitere Optionen weiter zu verfeinern und den Handschuh auszubauen, ist es die Aufgabe, versteckte Kristallscherben zu finden, die allerorts in der riesigen Spielwelt verteilt sind.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Über den Sand durch die weitläufige Spielumgebung zu surfen, macht Spaß und unterstreicht die schnellen Möglichkeiten der Fortbewegung. © Deck 13

Vom Surfen und Suchen

Glücklicherweise ist der Spieler nun in der Lage ganz ohne weitere Hilfsmittel durch die riesige Wüste zu gleiten und so auch die längsten Wege zum spaßigen Wellenritt zu machen. Taucht aus den Dünen eines der gefährlichen – mal größeren, mal kleineren – Sandmonster auf, zeigt der Handschuh auch hier schon zu Beginn eine Menge Potenzial. Denn nun steht es dem Spieler frei zu wählen, in welche Waffe sich der Handschuh verwandeln soll, um sich den Gegnern zu stellen. Zur Wahl stehen eine Kombination aus Axt und Hammer oder eine Eisenpeitsche – auch per Boxhandschuh darf losgeprügelt werden. Hier kommt das innovative Kampfsystem von Atlas Fallen voll zur Geltung. Unterhalb der Anzeige, welche die verbleibende Lebensenergie angibt, zeigt ein weiterer Balken, der in drei Segmente unterteilt ist, wie viel Schlagkraft der Spieler für einen schmetternden Superschlag bereits zur Verfügung hat.

Je mehr Segmente gefüllt werden, desto schwerer muss das Monster einstecken und sich im Idealfall mit nur einem schweren Schlag in Staub auflösen. Doch es wird noch besser, viel besser. Denn unterhalb eines jeden Segments der Leiste, kann der Spieler verschiedene Zauber parken, die gezündet werden, wenn der Balken bis zu dieser Stelle aufgeladen wurde. Und Atlas Fallen bietet im Spielverlauf über 50 verschiedene Angriffs- und Verteidigungszauber, mit denen sich ganz hervorragend experimentieren lässt.

Zusätzlich ist jeder Zauber – die entsprechenden Rohstoffe vorausgesetzt – aufrüstbar, und wird dann noch durchschlagskräftiger oder wirksamer. Ideal für den Online-Koop-Modus, denn wenn sich beide Spieler abstimmen, dann ergänzen sich die verschiedenen Zusatzfähigkeiten im Kampf und die Sandbiester sehen nur noch Sterne.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Die drei oberen Bereiche zeigen die drei Segmente der aufladbaren Leiste. Hier kann der Spieler die eingesammelten Zauber nach Belieben verteilen und sich auf diesem Weg die beste Kombination für den eigenen Spielstil zusammenstellen. © Deck 13

Wuchtig, ungenau, abwechslungsreich

Die Kämpfe sind dank des innovativen Systems und der daraus für den Spieler resultierenden Experimentierfreude während des rund 30-stündigen Spielverlaufs voller Abwechslung, schicker Lichteffekte und krachender Einschläge in hässliche Monster-Visagen. Gelingt es, den Angriff eines Monsters perfekt zu kontern, dann wird dieses nach und nach zu einem für kurze Zeit unbeweglichen Kristallwesen. Ganz so, als ob in der Wüste ein Blitz in den Sand einschlägt. In dieser Form sind die Kreaturen besonders anfällig für explosive Finisher und erleiden eine Menge Schaden.

Das ist auch notwendig, gerade die Kämpfe gegen elitäre Bossgegner haben es schon auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ganz schön in sich. Der eine oder andere Bildschirmtod ist dann unausweichlich. Glück hat der Spieler, der dann in Windeseile von seinem Mitspieler wiederbelebt werden kann. Dennoch sind besonders die minutenlangen Auseinandersetzungen mit sehr großen Gegnern – wie turmhohen Sandkrabben oder riesigen Skorpionen – nicht immer eine Freude.

Erstens muss der Spieler vor jeder Schlagserie in die Luft springen, um die besonders empfindlichen Stellen treffen zu können. Das fühlt sich nicht selten so an, wie ein Kleinkind, das an die Schokokekse kommen möchte, die auf dem höchsten Teil des Küchenregals versteckt sind. Zweitens fängt auch die Kamera das hektische Geschehen nicht immer optimal ein und sorgt für manch unverschuldetes Ableben. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Auswahl an verschiedenen Sandwesen. Nach zahlreichen Spielstunden hat der Spieler öfter vor den Hammer bekommen, als ihm lieb ist. Der Umstand, dass die sandigen Bedrohungen nach kurzer Zeit plötzlich wieder auftauchen, macht das nicht besser.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Den Superschlag auf das kristallisierte Monster herabschmettern zu lassen, lässt den Spieler die Macht, die er innehat, förmlich spüren. © Deck 13

Höher, schneller, weiter

Neben Surfen und Kämpfen hat der Spieler dank des Handschuhs auch noch die Möglichkeit, scheinbar entlegene Bereiche der Spielwelt per Doppelsprung und einem in der Luft folgenden Vorwärtsschub zu erreichen. Zuerst klappt das nur einmal, doch jede Verbesserung der göttlichen Waffe bringt einen weiteren Schub nach vorne. So sind nach und nach Teile der Umgebung erkundbar, die zu Beginn noch verschlossen sind. Es ist also empfehlenswert, bereits durchforstete Umgebungen später noch einmal zu besuchen, um die dort versteckten, Rohstoffe, Zauber und Schätze dank des erweiterten Bewegungsrepertoires heben zu können.

Wie beim Kampf ist die Fortbewegung schnell, zackig und macht Spaß – allerdings wie die Prügeleien etwas ungenau und wabbelig. Das gilt zum Glück nicht für die nächste Fähigkeit, die der wandelbare Handschuh springen lässt. Denn dank seiner Macht kann der Spieler längst im Sand versunkene Truhen emporheben, sogar ganze Steinsäulen oder Brückenteile werden auf diesem Weg aus der Vergessenheit gezogen und zur schnelleren Fortbewegung genutzt. Besonders bei den ganz großen Brocken schaltet die Kamera in eine weiter entfernte Kameraposition und lässt das Geschehen auf dem Bildschirm absolut episch wirken.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Tief in den weit verzweigten Höhlen des zweiten Spielabschnitts wartet auf das Koop-Duo ein mystisches, unheimliches Ritual, das gestoppt werden muss. © Deck 13

Optik und Performance von Atlas Fallen

Waren die Entwickler von Deck 13 bis jetzt für die mittelmäßige Optik der Spiele “The Surge” und “The Surge 2” bekannt, hat sich bei der Entwicklung von Atlas Fallen in der Grafikabteilung einiges getan. Dank dem Einsatz der Unreal Engine 5, die auch beim Shooter-Geheimtipp “Remnant 2” zum Tragen kommt, erstrahlen die drei riesigen Spielgebiete mit feiner Optik und stellenweise famoser Weitsicht. Das Gefühl, eine fantastische Welt voller Geheimnisse zu erforschen, wird von der hübschen Darstellung gut getragen. Leider gibt es ab und zu kleine Einbrüche bei der Bildwiederholrate, die im Performance-Modus auf der PlayStation 5 mit 60 Bildern pro Sekunde unangenehm ins Auge fallen; ebenso wie unschön hereinploppende Umgebungsdetails wie Bäume, Büsche oder grasbewachsene Flächen.

Dennoch läuft Atlas Fallen zum großen Teil recht flüssig und lässt keinen Zweifel daran, dass diese Optik nur auf den moderne Konsolen umgesetzt werden konnte, Versionen für PS4 oder Xbox One gibt es nicht. Es werden nur PCs, die PS5 und die Xbox-Series-Konsolen bedient, wobei das Spiel auf der Xbox Series S nur mit 30 Bildern pro Sekunde zu bestaunen ist. Die Grafik der Spielwelt liegt generell im oberen Drittel, da kann der niedrige Detailgrad der Gesprächspartner und weiteren Figuren keinesfalls mithalten, hier wird nur Mittelmaß geboten. Das gilt auch für die Animationen der Monster, die selten vielfältig oder glaubwürdig sind.

Ein Screenshot aus dem Spiel Atlas Fallen
Die optische Darstellung der drei verschiedenen Spielumgebungen ist dank dem Einsatz der Unreal Engine 5 sehr gut gelungen, kämpft aber mit gelegentlichen Ruckeleinlagen. © Deck 13

Fazit

Mit Atlas Fallen liefern die deutschen Entwickler von Deck 13 einen kleinen, unerwarteten Überraschungs-Hit ab. Fans von Darksiders 1 & 2 dürften besonders frohlocken, denn Atlas Fallen erinnert in vielen Teilen frappierend an die fast vergessenen Klassiker. Wäre der Titel des Spiels “Darksiders 4”, ginge das zweifellos ohne große Rückfragen durch. Dennoch haben die Macher daran gedacht, dem Genre der Action-Adventure-Rollenspiele einen eigenen Stempel aufzudrücken. Dazu gehört mit Sicherheit das variantenreiche und gut durchdachte Kampfsystem, das sich wuchtig anfühlt und dank zahlreicher Zauber und Möglichkeiten zum Experimentieren einlädt. Wie auch bei der zackigen Fortbewegung, kann die etwas ungenau Steuerung und nicht immer optimal platzierte Spielkamera, aber ab und zu an den Nerven des Spielers zerren. Doch die Suche nach Schätzen, das Lösen kleinerer Rätsel und das alles in einer wunderbar gezeichneten Umgebung machen diese Kritikpunkte fast vergessen. Auch Freunde von nett erzählten Geschichten kommen halbwegs auf ihre Kosten. Man kaut zwar nicht vor Spannung und Vorfreude an den Nägeln, dennoch bieten der Hintergrund und das absehbare Ende Grund genug, dass keine Langeweile aufkommt – vor dem Bett wartet immer noch die nächste Haupt- oder Nebenaufgabe unter dem Sand.

  • PRO
    • Hübsche Spielwelt mit toller Weitsicht und drei großen Umgebungen, durchdachtes und innovatives Kampfsystem, das viel Wucht hat.
  • KONTRA
    • Kleine Ruckeleinlagen, wenig Abwechslung bei den Gegner-Arten, Animationen von Monstern und NPCs wirken hölzern, ungenaue Steuerung.

IMTEST Ergebnis:

gut 2,3