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Jagged Alliance 3 im Test: Ein Klassiker kehrt zurück

Nach 24 Jahren kehrt der Taktik-Klassiker Jagged Alliance zurück.

© THQ Nordic

Liebe zum Detail

Gerade bei der Ausrüstung zeigt sich Jagged Alliance 3 herrlich detailliert, ohne den Spieler zu sehr mit Details zu überfrachten. Es gibt richtig viele Wummen, vom Karabiner K98 über Maschinenpistolen und Sturmgewehre wie die AK47 oder Uzi bis hin zu Maschinengewehren, DMRs, Revolvern und Pistolen. Jede Waffen-Kategorie hat, wie in der Realität, ihr eigenes Kaliber. Eine Famas verschießt z.B. nur 5.56×45 mm Nato-Projektile, während eine AK47 mit 7,62×39 mm geladen werden muss.

Der Waffen-Editor von Jagged Alliance 3.
Detailreich: Waffen können auf die eigenen Anforderungen hin angepasst werden. © IMTEST / THQ Nordic

Dazu gibt es unterschiedliche Typen von Munition – von panzerbrechenden Projektilen bis Hohlspitz-Geschossen für „weiche“ Ziele. Jede Waffe jedes Kämpfers kann dabei frei mit entsprechenden Patronen bestückt werden. Das ist cool, da man so sehr dynamisch auf bestimmte Bedrohungen reagieren kann. Gleichzeitig ist die Komplexität über sehr nachvollziehbare Menüs geregelt. Ein Rechtsklick auf eine Waffe öffnet ein Untermenü, über das die Knarre Ge- oder Entladen werden kann. Hier kann auch mit einem Klick die Zerlegung überzähliger Schießeisen angeordnet werden. Das funktioniert hervorragend und bietet eine tolle Balance zwischen Anspruch und Bedienbarkeit.

Der Rundenkampf in Jagged Alliance 3

Auch die Kämpfe sind entsprechend detailliert. So besitzt jede Spielfigur Aktionspunkte (AP), auf deren Basis alle Handlungen ausgeführt werden. Von der Bewegung über Haltungswechsel bis hin zum Schießen oder Nachladen der Waffe. Das ermöglicht mehr Varianz als etwa bei X-Com, wo die Figuren auf nur zwei Aktionen festgelegt sind. Gleichzeitig können die AP aber auch eingeschränkt werden: Müde Figuren haben weniger Aktionen und Verletzungen können die Handlungsfreiheit reduzieren. Auch Modifikatoren wie „Niederhalten“ beim Beschuss durch Maschinengewehre oder heißes Wetter können die Aktionen der Kämpfer einschränken.

Eine Charakter-Seite einer Figur aus Jagged Alliance 3.
Charakterstark: Jede Figur hat ihr eigenes Inventar, Stärken und Schwächen. © IMTEST / THQ Nordic

In der Nacht schießt es sich schlechter

Generell hat das dynamische Wetter- und Tageszeitsystem großen Einfluss auf die Effizienz der Söldner. Im Dunkeln schießt es sich ohne Nachtsichtgerät oder Lampe am Lauf deutlich schlechter, Nebel verhindert präzise Treffer und Sandstürme reduzieren die Sicht erheblich. Gleichzeitig kann Regen Geräusche dämpfen, sodass man sich leichter an den Gegner heranschleichen kann. Meist wird der Rundenkampf auf der Taktikkarte nämlich erst initiiert, wenn der erste Feind ein Mitglied der eigenen Kampfgruppe erspäht. Zuvor kann man seine Söldner in Echtzeit oft geschickt in gute Positionen manövrieren, in denen sie gleichzeitig gute Sicht und ordentlich Deckung vor Feindbeschuss haben.

Mit Sichtlinien über mehrere Stockwerke, Deckungsfeuer-Kegeln, brutalem Nahkampf und einem Moral-System, das schwere Verletzungen der Figuren abstraft, sind die Kämpfe angenehm komplex und bieten viele Lösungs- und Vorgehensweisen an. Gleichzeitig ist der Schwierigkeitsgrad hoch. Kleine Fehler werden von der zahlenmäßig meist überlegenen KI oft gnadenlos abgestraft. Gerade die Positionierung ist extrem relevant – und das aus X-Com entliehene Überwachungs-Feature in vielen Situationen überlebenswichtig. Nicht zuletzt, weil die Deckung weitestgehend zerstörbar ist, erst recht, wenn Granaten und Raketenwerfer ins Spiel kommen. Allerdings fällt auf, dass sich Feinde und Verbündete oft etwas subobtimal bewegen und positionieren. Wäre die KI hier noch schlauer, würden die ohnehin anspruchsvollen Gefechte aber oftmals zu einer brutalen Angelegenheit.



Und wie ist die Grafik?

Klar: Visuell reißt Jagged Alliance 3 im Detail sicher keine Bäume aus, überzeugt aber mit seinem farbenfrohen Artdesign und cool entworfenen Schauplätzen. Mit Lichtstimmungen und netten Animationen schafft Entwickler Haemimont hier eine dichte Atmosphäre, die vor allem durch ihre visuelle Verbindung zu den frühen Zweitausendern punktet. Wie Haemimont Games nämlich schon auf der Gamescom 2022 betonte, spielt Teil 3 nur wenige Jahre nach Jagged Alliance 2. Die Technologie ist also auf dem Stand des frühen 21. Jahrhunderts, ohne Smartphone und Flatscreen, dafür mit Klotz-Handys, PDAs und Gehwegplatten-Notebooks. Gleiches gilt natürlich auch für Waffen und Kleidung. Gerade diese visuelle Verortung in der Zeitperiode gelingt den Entwicklern richtig gut.

Fazit

Nach 24 Jahren gelingt Haemimont Games tatsächlich die Überraschung: Jagged Alliance 3 ist ein Fest für Rundenstrategen. Ein Spiel für Neulinge ist der Taktik-Brocken aber sicher nicht. Die Kämpfe sind knallhart, das Ressourcen-Management sehr anspruchsvoll und die Entscheidungsfreiheit groß. So geht der kleinen Söldner-Operation in Grand Chien das Geld oft schneller aus, als man „Private Military Corporation“ überhaupt aussprechen kann. Trotzdem – oder gerade deswegen – gelingt Haemimont Games das Kunststück, endlich einen würdigen Nachfolger zum Taktik-Klassiker Jagged Alliance 2 zu liefern. Die astrein bedienbaren, aber wunderbar komplexen Kämpfe, die coolen Rollenspiel-Elemente, die charakterstarken Figuren und der lebendige Schauplatz machen richtig Spaß. Mit vielen Mechaniken, freien Entscheidungen und zufälligen Ereignissen bietet Jagged Alliance 3 viele dutzend Stunden Stoff für nervenstarke Taktik-Freunde. Achso: Zwei-Spieler-Koop gibt es auch, Mod-Unterstützung soll folgen.

  • PRO
    • Packende Gefechte, spannende Spielwelt, gute Mischung aus Rollenspiel und Taktik
  • KONTRA
    • Schon zu Beginn sehr anspruchsvoll, nichts für zwischendurch

IMTEST Ergebnis:

gut 1,8