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6 Ferngläser im Test: Der volle Durchblick

Fünf Marken-Geräte treten gegen den Amazon-Beststeller an.

Sechs Ferngläser verschiedener Hersteller auf einem Holztisch.
© IMTEST

Beim Wandern in den Alpen, beim Strandspaziergang auf Sylt, bei der Safari in Kenia: Ein Fernglas darf eigentlich bei keiner dieser Aktivitäten fehlen. Egal ob Outdoor-Abenteurer im Tarn-Look, Familien mit Kindern oder Vogelbeobachter – sie alle können ein gutes Fernglas gebrauchen. IMTEST nimmt fünf ausgewählte Geräte in der gehobenen Einstiegsklasse unter die Lupe – und stellt sie mit dem Amazon-Beststeller in den Ring, der bei 15.000 Bewertungen auf einen Schnitt von 4,3 Sternen kommt.

Mit keinem der fünf Markengeräte macht man etwas falsch (trotzdem gibt es teils erhebliche Unterschiede). Beim Bestseller der No-Name-Marke Adasion sieht die Sache etwas anders aus! In jedem Fall will der Kauf dieses essenziellen Outdoor-Begleiters gut überlegt sein, denn nicht jedes Glas passt zu jedem Kunden. IMTEST verspricht: Nach diesem Artikel sind Sie schlauer und bereit für den Kauf eines Feldstechers, der Ihnen ein treuer Begleiter ist und mit dem Sie lange Freude haben.



Ferngläser: Von 20 Euro bis 4.000 Euro

Fast jeder Haushalt besitzt irgendein Fernglas – dementsprechend groß ist der Markt und damit auch die Zahl der Anbieter. Die Preise reichen dabei von 20 Euro bis 4.000 Euro. Viele renommierte Hersteller stammen aus Deutschland oder Österreich, aus Japan und den USA; doch auch in Tschechien, Belgien oder Großbritannien werden exzellente Ferngläser gefertigt. Aus einem Feld von rund zwei Dutzend namhaften Firmen und weit über 200 Modellen hat IMTEST fünf überzeugende Geräte ausgewählt, deren Preis liegt zwischen 185 Euro und 350 Euro. Das Glas von Adasion tanzt aus der Reihe: Der Hersteller hat weder eine Webseite noch eine nachweisbare Vergangenheit als Hersteller optischer Geräte. Dafür ist bei einem Preis von unter 80 Euro im Lieferumfang auch noch Zubehör enthalten: Handy-Adapter, Mini-Stativ sowie Stativ-Adapter.

„NICHT JEDES (GUTE) FERNGLAS PASST ZU JEDEM KUNDEN – DER KAUF WILL WOHL ÜBERLEGT SEIN. AUSPROBIEREN IM FACHHANDEL LOHNT SICH.“

Matthias SchmidIMTEST-Experte

Allen Marken-Ferngläsern im Test gemein ist eine 8-fache Vergrößerung: Die eignet sich hervorragend für Allround- Ferngläser. Die Vergrößerung reicht aus, um Dinge schön nahe heranzuholen. Gleichzeitig ist die Gefahr des Verwackelns deutlich geringer als bei einem Binokular mit 12-facher Vergrößerung. Außerdem gilt: Für ungeübte Nutzer ist das Finden der gewünschten Stelle im Baum oder auf dem Kirchturm gar nicht so einfach – eine 8-fache Vergrößerung ist daher ideal, um den Umgang mit Ferngläsern zu lernen.

Das Adasion-Fernglas von Amazon verfügt laut Beschreibung und Aufdruck auf dem Gerät über eine 12-fache Vergrößerung. Auf dem Teststand stellte sich allerdings heraus, dass es lediglich 10-fach vergrößert. Auf Nachfrage bei der als Hersteller-Kontakt in der Anleitung vermerkten E-Mail-Adresse erhielt IMTEST keine Antwort. Auch beim Kontakt via Amazon-Kundendienst gab es keine Aufklärung vom Hersteller, ob die Angabe auf dem Gerät fehlerhaft ist.

Bild von einem Nikon-Fernglas in der Hand, im Hintergrund ist ein See zu sehen.
Das Nikon Prostaff P7 8×30 im Test-Einsatz am kleinen Kiel. Am Binnensee in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt lassen sich entspannt Möwen beobachten. © IMTEST

Die sechs Test-Kandidaten

Im Testfeld treten an: Das Prostaff P7 8×30 – vergleichsweise günstige 187 Euro kostet das Fernglas vom japanischen Kamera-Profi Nikon. Dann das Ursus 8×32 von der belgischen Firma Kite Optics mit einem Herstellerpreis von 260 Euro. Kandidat Nummer 3 ist das sektor D 8×32 compact+ von Eschenbach, dessen UVP bei 349 Euro liegt; die Nürnberger Firma gibt es als Hersteller optischer Geräte seit 1913.

Bild vom Fernglas Eschenbach sektor D 8x32 compact+ vor weißem Hintergrund.
Das schlanke Eschenbach sektor D 8×32 compact+ ist das teuerste Fernglas im Testfeld, es kostet 349 Euro. © Eschenbach Sportoptics

Das SV II 8×32 (für 279 Euro) stammt von der Firma Kowa, die wie Nikon in Japan beheimatet ist, während das Diamondback HD 8×32 vom US-amerikanischen Hersteller Vortex Optics kommt, der auch das US-Militär beliefert. Kostenpunkt: 239 Euro. Das Adasion 12×42 für 77 Euro wird laut Packungsaufdruck direkt aus dem chinesischen Shenzhen geliefert. Neben einer seit 2019 nicht mehr gepflegten Facebook-Seite und der Tatsache, dass die Adasion-Markenrechte bei der Firma Shenzhen Naixing Technology Co. liegen, finden sich keinerlei Hinweise zur Herstellerfirma.



8×32: Das bedeuten die Zahlen

Die zweite Zahl nach dem „8x“ bzw. „12x“ in den Modell-Bezeichnungen der Test-Geräte steht für den Objektiv-Durchmesser in Millimetern – also die weiter von den Augen entfernte Seite der Ferngläser. 32 mm (bzw. 30 mm beim Nikon und 42 beim Adasion) sind ausreichend für alle normalen Lichtverhältnisse. Nur in der Dämmerung können diese Ferngläser nicht mit der Bildhelligkeit von Gläsern mit z. B. 50 mm Durchmesser mithalten. Das ist aber meist nur für Jäger und besonders enthusiastische Vogelbeobachter von Belang. Außerdem gilt: Gute Gläser mit 50 mm oder mehr sind meist auch deutlich schwerer (und teurer).

Augenmuscheln
Die meist in zwei bis drei Stufen herausdrehbaren Plastik-Schalen, durch die man ins Fernglas blickt. Sie schirmen das Auge von seitlichem Lichteinfall ab und helfen, sich auf den Blick durchs Fernglas zu konzentrieren. Brillenträger belassen die Augenmuscheln im nicht herausgedrehten Zustand, weil sie durch die Brille schon mehr Abstand zum Okular haben.

Bauweise: Dachkant oder Porro
Diese beiden Begriffe bezeichnen die gängigen Bauarten aller Ferngläser. “Porros” sind die breiten, altmodisch wirkenden Ferngläser, wie man sie z. B. von der Bundeswehr kennt. Dachkant-Ferngläser sind schlanker und kompakter, aber mitunter länger – diese Bauweise hat sich durchgesetzt. Entscheidend dafür ist die Anordnung der Linsen: Porro-Gläser sind schematisch simpler, der Aufbau der Prismen braucht aber mehr Platz in der Breite. Dachkant-Ferngläser sind komplizierter und schwerer zu bauen – mit fortschreitender Ingenieursleistung wurden sie jedoch immer besser und stellen heute sowohl den Löwenanteil als auch die qualitative Speerspitze moderner Ferngläser dar.

Dioptrien-Ausgleich
Das ist der Mechanismus – meist am rechten Objektiv, manchmal in den Mitteltrieb integriert –, mit dem Unterschiede in der Sehstärke zwischen den beiden Augen ausgeglichen werden.

Gummiarmierung
Die weichere Schicht auf der Außenhülle des Fernglases. Eine Gummiarmierung sorgt einerseits für den nötigen Grip (auch bei feuchten Händen), andererseits schützt es das Fernglas bei Stößen. Beim Hersteller Zeiss kommt beispielsweise Nitril-Butadien-Kautschuk zum Einsatz.

Mitteltrieb
Das zentrale Einstellrad zwischen den beiden Objektiv-Tuben. Hier wird mit nur einem Finger das Bild scharfgestellt.

Objektiv-Durchmesser
Die zweite Zahl in der Bezeichnung vieler Ferngläser – im vorliegenden Test sind das „32“ bzw. „30“ und “42”. Sie gibt den Durchmesser der weitere von den Augen entfernten Öffnung beim Fernglas an. Es gilt: Je größer der Objektiv-Durchmesser, desto mehr Licht gelangt ins Fernglas. Kompakt-Gläser haben meist 32 oder 40mm, Ferngläser mit 50mm oder mehr sind vor allem für Aktivitäten in der Dämmerung gedacht, z. B. bei der Jagd.

Schärfentiefe
Dies bezeichnet den Bereich, in dem der Benutzer das Gesehene durch die Optik als scharf wahrnimmt. Besitzt ein Fernglas eine große Schärfentiefe, dann ist der als scharf empfundene Bereich breiter als bei einem Fernglas mit geringer Schärftentiefe. Weil man dann seltener nachfokussieren muss, kann langes Beobachten weniger ermüdend sein.

Sehfeld
Das Sehfeld eines Fernglases wird meist in Metern angegeben. Die Zahl beschreibt, wie groß der sichtbare Bildausschnitt auf eine Entfernung von 1.000 Metern ist. Generell gilt: Je größer das Sehfeld, desto besser.

Vergrößerung
Die erste Zahl in der Bezeichnung vieler Ferngläser – im vorliegenden Test ist das die „8“ bzw. “12”. Das heißt: Der Blick durchs Glas lässt Objekte achtmal bzw. zwölfmal so groß erscheinen wie mit bloßem Auge.

Vergütung
Generell möchte man die Lichtreflexionen auf der Linse minimieren – es soll weniger Licht reflektiert werden und mehr ins Objektiv eindringen. Während bei einem einfachen Fernglas nur rund 50% des Lichts ankommen, schafft ein vollvergütetes Glas schon Werte von 75%. Durch sogenannte Mehrfach-Vollvergütung kommen Top-Gläser auf eine Transmission (Lichtdurchlässigkeit) von über 90%. Diese Vergütung erreicht man durch das komplizierte Aufdampfen verschiedenster, hauchdünner Schichten auf das Glas.

Zwei weitere Kennziffern sind bei Ferngläsern interessant: Das Sehfeld wird in Metern angegeben, die Zahl bezeichnet dabei die Größe des sichtbaren Ausschnitts aus einer Entfernung von 1.000 Metern. Vorn liegt in dieser Disziplin Nikons Prostaff P7 mit beachtlichen 152 m. Doch selbst beim Modell von Vortex sind die nur 89 m in der Praxis unproblematisch. Spannend ist der Naheinstellbereich, also der Mindestabstand, den es braucht, damit das Bild nach der Scharfstellung auch scharf ist: Während dies beim Kite Ursus und beim Nikon 2,8 m bzw. 2,5 m sind, gibt Eschenbachs sektor D schon bei gut 1,0 m ein scharfes Bild ab. Das ist praktisch, möchte man einen Schmetterling am Wegesrand oder eine Eidechse auf einem nahen Stein groß sehen.

Bild einer männlichen Kolbenente auf einem See.
Ein sehr schöner Wasservogel: Details wie den leuchtend roten Schnabel der männlichen Kolbenente erkennt man meist nur durchs Fernglas richtig gut. © IMTEST

Alle Infos zu Wertigkeit und Ergonomie sowie zur optischen Qualität der Ferngläser finden Sie auf der nächsten Seite.