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Makrofotografie: Große Momente für kleine Tiere

Tipps zur Makrofotografie mit Insekten.

Ein Schmetterling sitzt auf einer Blume.
© Gidlark/Unsplash

Makrofotografie mit den Kleinsten: Eine bewährte Methode für beeindruckende Insektenaufnahmen besteht darin, Situationen auszunutzen, in denen die Tiere unaufmerksam sind – und Sie deshalb samt Ihrem Equipment nicht beachten.
Ein Workshop von Kyra Sänger und Christian Sänger.

Zu solch günstigen Momenten zählen beispielsweise Situationen bei der Paarung, Eiablage oder Nahrungsaufnahme. Und auch ein kräftiger Regenguss oder niedrige Temperaturen können die Tiere dazu bringen, ein Weilchen an Ort und Stelle zu verharren. Dann wird es möglich, näher an die winzigen Fotomodelle heranzukommen und das Bild
optimal zu komponieren.

Erstarrte Schmetterlingsgymnastik: Mit etwas Glück sind die Insekten, wie dieser Bläuling, noch steif gefroren von der kalten Nacht, in ungewöhnlichen Schlaf­positionen anzutreffen.
100 mm | ƒ/13 | 0,8 s | ISO 400 | +0,3 EV | Stativ

Unterwegs in den frühen Morgenstunden

Wenn Sie zu den Frühaufstehern zählen und es nicht scheuen, bereits kurz vor Sonnenaufgang auf die Fotopirsch zu gehen, werden Sie mit tollen Tautropfenbildern belohnt. Der Wasserdampf der Luft schlägt sich in wolkenlosen und windstillen Nächten auf Gräsern und Blättern nieder und überzieht alles mit kleinen und kleinsten Tröpfchen. Auch die Insekten werden davon nicht verschont und bekommen nasse Füße. Da sie bei den kühlen Temperaturen noch nicht genügend aufgewärmt sind, um von dannen zu krabbeln oder zu fliegen, sitzen sie lange absolut ruhig und warten auf die Wärme der Sonne – eine gute Gelegenheit zur ausgiebigen Fotosession. Rechnen Sie dabei jedoch mit wenig Umgebungslicht und langen Belichtungszeiten, die ein Stativ oder einen Bohnensack unumgänglich machen.

Die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das Blätterdach des Waldes und bringen die Tautropfen auf dem Bläuling zum Glänzen. 100 mm | ƒ/11 | 1/8 s | ISO 200 | +0,7 EV | Stativ

TIPP: Makrofotografie und Hintergründe

Sollten Sie ein schönes Tautropfenmotiv finden, bei dem sich der Hintergrund zu unruhig gestaltet, weil das Tier weiter unten im Gras an einem Halm sitzt, ist es meist kein Problem, das Hälmchen ganz vorsichtig abzuschneiden und mit einer Klammer am Ministativ beispielsweise auf einen nahgelegenen Weg zu stellen. Der Hintergrund ist dann frei und kann strukturlos abgebildet werden. Manche Insekten, wie Schmetterlinge, lassen sich auch vorsichtig auf den Finger nehmen und auf einer Blüte platzieren. Danach sollten die Tiere aber genauso sicher verlassen werden, wie sie aufgefunden wurden. Stecken Sie den Halm daher wieder vorsichtig ins Gras, ohne das Tier dabei abzustreifen.

Königin der Mittleren Wespe (Dolichovespula media) beim Nestbau: Erst knabbert sie an
einem Blatt und verarbeitet es anschließend.
100 mm | ƒ/6,3 | 1/100 s | ISO 1.600 | Blitz + Softbox

Insekten beim Nestbau

Wenn es um den Bau des Eigenheims geht, sind auch Insekten sehr konzentriert bei der Sache und lassen sich kaum stören. So konnten wir aus kurzer Distanz problemlos die Baumeisterin aus der Abbildung oben aufnehmen, die sich bei unserer Bestimmung später als Königin der verhältnismäßig seltenen Mittleren Wespe, auch Kleine Hornisse genannt, herausstellte.
Es galt für uns lediglich, immer wieder ein paar Minuten zu warten, bis das emsige Insekt erneut mit einer Fuhre Papiermörtel angeflogen kam, und schon konnte das Shooting weitergehen. Denken Sie bitte nur daran, dass sich im Fall der gezeigten Wespe die Situation grundlegend ändert, sobald der Staat eingezogen ist und seine Larven dort aufzieht. Dann sollten Sie, sofern Sie nicht zu den besonders mutigen Zeitgenossen gehören, lieber etwas mehr Abstand halten. Ähnlich gut funktioniert das auch bei Wildbienen, Hummeln und anderen tierischen Architekten.

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Insekten bei der Paarung

Ebenfalls gut nachzuvollziehen ist die Tatsache, dass bei der Paarung gewisse Antennen abgeschaltet bleiben und deshalb die üblicherweise an den Tag gelegte Vorsicht etwas
leidet. Es kann allerdings passieren, dass Libellen oder Schnaken plötzlich im Doppelpack losfliegen und sich einen neuen Standort suchen. Bei Schnaken geht es meistens nur ein kurzes Stück weiter, Libellen können einem aber schon mal zu zweit davonschwirren.

Rostfarbene Dickkopffalter (Ochlodes sylvanus) bei der Paarung.
100 mm | ƒ/11 | 1/80 s | ISO 400 | Blitz + Softbox

Genauso gut wie die Libellen lassen sich auch andere Insekten bei der Kopulation ablichten, wobei Sie dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Tiere sind einerseits abgelenkt, und andererseits können Sie interessante Verhaltensweisen dokumentieren, was gerade in der Tierfotografie besonders en vogue ist. Bei den Schmetterlingen ist das aufgrund der symmetrischen Anordnung des Pärchens, wie wir finden, auch optisch noch ganz reizvoll. Dagegen sind wir bei den beiden an sich ja sehr prächtigen Sauerampferkäfern nicht ganz sicher, ob das jetzt noch jugendfrei ist.

Die Grünen Sauerampferkäfer (Gastrophysa viridula) sind so beschäftigt, dass sie die Kamera nicht bemerken.
100 mm | ƒ/8 | 0,5 s | ISO 400 | Stativ

Makrofotografie: Insekten bei der Eiablage

Eine weitere gute Fotogelegenheit bietet sich bei der Eiablage. In diesen Momenten, wer könnte es ihnen verdenken, sind die Tiere abgelenkt und achten nicht so stark darauf, was in ihrer Umgebung passiert. Vor allem bei Fluginsekten, die sehr beweglich sind und sich viel in der Luft aufhalten, wie zum Beispiel Großlibellen, ist die Eiablage eine sehr gute Gelegenheit, um den Tieren ein gutes Stück näher zu kommen. Sehen Sie sich an Teichen mit starkem Libellenvorkommen ganz gezielt um, ob an morschem Holz, an Baumstämmen oder auf Moospolstern, die direkt am Wasser liegen, Libellen zu finden sind, die gerade ihre Eier in das Material einstechen. Oftmals lässt sich dies auch akustisch wahrnehmen, wenn die Flügel beim An- und Abflug an Gräser stoßen und es hörbar raschelt. Für die Aufnahme der Mosaikjungfer konnten wir recht unkompliziert an das mit der Eiablage beschäftigte Tier herankommen. Machen Sie sich auf die Suche – meist wird der Einsatz mit interessanten Bildern belohnt.

Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) bei der Eiablage in morsches Pflanzenmaterial.
100 mm | ƒ/5,6 | 1/250 s | ISO 1.600 | Blitz + Softbox
Den Wespenbock (Plagionotus arcuatus) konnten wir bei der Eiablage in aller Ruhe fotografieren.
100 mm | ƒ/8 | 1/160 s | ISO 400 | –2 EV | Blitz + Softbox

Aha, noch eine Wespe?, werden Sie jetzt vielleicht spontan denken. In diesem Fall haben wir bzw. das gezeigte Insekt Sie aber ganz schön an der Nase herumgeführt. Das Tier, das wir hier bei der Eiablage aufgenommen haben, ist in Wirklichkeit ein harmloser Käfer, genauer gesagt ein Wespenbock, der sich im Laufe der Evolution dieses Farbmuster zugelegt hat, um Fressfeinden die Wehrhaftigkeit einer Wespe vorzutäuschen. Mimikry nennt man das in der Biologie. Hier ist es gelungen, ein Weibchen ausfindig zu machen, das gerade seine Eier peu à peu in ein Stück Totholz legte und sich durch die Kamera nicht im Geringsten gestört fühlte.

Nahrungsaufnahme als günstige Aufnahmesituation

Im Zuge der Nahrungsaufnahme bieten sich reichlich Möglichkeiten, an interessante Insektenmakros zu kommen. Besonders beim Nektarsammeln lassen sich Bienen, Fliegen und andere hungrige Gesellen ohne großen Aufwand ablichten. Nichts für schwache Nerven ist das Fotografieren des Beutemachens bei räuberisch lebenden Tieren wie Libellen, Spinnen oder Jagdfliegen. Bei Spinnen mit Netz lohnt es sich meistens, einfach eine Weile vor dem Netz zu warten. Über kurz oder lang wird sich entweder ein Fluginsekt im Netz verfangen, oder die Spinne wird zur Speisekammer klettern und sich einen Snack für zwischendurch holen. Achten Sie bei solchen Bildern darauf, dass Jäger und Beute gut zu sehen sind. Manch eine Szene kommt schon etwas brutal daher, ist aber doch auch außerordentlich spannend.
Auch wer es lieber weniger blutrünstig mag, hat mit Insekten bei der Nahrungsaufnahme gute Chancen auf schöne Bilder. Wenden wir uns den Vegetariern zu, sieht das Ganze wieder etwas fröhlicher aus. So haben uns beispielsweise die Kletterkünste des Gefleckten Schmalbocks beeindruckt, wie er nahrungssuchend akrobatisch von Blüte zu Blüte krabbelte und den Kopf tief in die Staubgefäße steckte. Allerdings müssen wir zugeben, dass wir keinen Unterschied bezüglich seiner Aufmerksamkeit erkennen konnten. Das gilt wohl doch eher für jagende Insekten, die ihre Beute erledigen müssen.

Die Natur kennt kein Pardon: Eine Raubspinne hat gleich zwei Bläulinge auf einmal erwischt und deren ­Liebesspiel ein jähes Ende beschert.
100 mm | ƒ/9 | 1/60 s | ISO 800 | Blitz + Softbox
Nachdem Libellen ihr Mahl verspeist haben, bleiben sie oft noch kurz sitzen, so dass sich dann auch Fotomöglichkeiten ohne Beute ergeben.
100 mm | ƒ/5,6 | 1/125 s | ISO 800 | Blitz + Softbox
Der Gefleckte Schmalbock (Rutpela maculata) krabbelte von Blüte zu Blüte und ließ sich dabei eine ganze Weile fotografisch bei der Nahrungsaufnahme verfolgen.
100 mm | ƒ/7,1 | 1/400 s | ISO 400 | –0,3 EV

Übung

Nehmen Sie doch einmal eine Blattlauskolonie etwas genauer unter die Lupe. Wenn sich dort auch Ameisen aufhalten, werden Sie vermutlich beobachten können, wie diese den Blattläusen durch Massieren des Hinterleibs süßen Nektar entlocken, mit dem sie ihre Brut ernähren. Ein sehr lohnendes Motiv zum Thema Symbiose, denn die Ameisen verteidigen als Gegenleistung die Blattlauskolonie vehement gegen jeden Angreifer, den sie überwältigen können. Beobachten Sie am besten ein paar Mal, wie der Melkvorgang abläuft, und merken Sie sich, wann es den Auslöser zu drücken gilt, um das
Honigtautröpfchen auch visualisiert zu bekommen.

Wird die Blattlaus gekitzelt, erhält die Ameise einen Tropfen leckeren Honigtaus. Als Gegenleistung beschützen die Ameisen die Läuse.
100 mm | ƒ/11 | 1/60 s | ISO 1 600 | Zwischenring | Blitz + Softbox
An diesem Halm wird der Braune Waldvogel (Aphantopus hyperantus) wohl die Nacht verbringen.
100 mm | ƒ/11 | 1/15 s | ISO 400 | Blitz + Softbox | Stativ

Ruhe kurz vor Einbruch der Nacht

Wenn Sie – so wie wir eigentlich auch – einfach kein Frühaufsteher sind und den Morgentau lieber Morgentau sein lassen, haben wir hier einen Tipp, wie Sie auch als Nachteule an nahezu unbewegliche Insekten für beeindruckende Fotos herankommen. Wenn es Abend wird, suchen Schmetterlinge, Hummeln und andere Fluginsekten ihre Schlafplätze auf, an denen sie die Nacht verbringen. Wenn das die Zeit ist, in der Sie erst so richtig zur Hochform auflaufen, wandern Sie kurz vor Sonnenuntergang am Waldrand entlang oder sehen Sie sich Grashalme, Sträucher und Büsche etwas genauer an. Sie werden mit Sicherheit verschiedene Schmetterlinge, Fliegen und andere tagsüber sehr aktive Tierchen finden, die sich schon zur Nachtruhe begeben haben und völlig unbeweglich an Ort und Stelle sitzen. So können Sie aus nächster Nähe fotografieren, was das Zeug hält, ohne die Tiere im Geringsten zu stören. Den Braunen Waldvogel konnten wir in einer solchen Situation in aller Ruhe aufnehmen, um Ausschnitte der schön gemusterten Flügel besonders herauszuarbeiten. Für dämmerungs- und nachtaktive Insekten wie das Schlehen-Federgeistchen aus der Abbildung gilt prinzipiell Ähnliches, nur dass die Tiere eher am Tag oder kurz vor Sonnenuntergang inaktiv sind und in der Nacht losfliegen. Unser Modell ruhte allerdings bis kurz nach Sonnenuntergang, so dass wir es in aller Ruhe in Szene setzen konnten. Vergessen Sie bei solchen Fotoausflügen auf keinen Fall Ihr Stativ, denn das abnehmende Licht führt unausweichlich zu verlängerten Belichtungszeiten. Um genügend Licht in die Dunkelheit zu bringen, können Sie mit Blitzlicht arbeiten. Wir haben bei der gezeigten Aufnahme einen Blitz auf der Kamera mit Softbox verwendet, um das Federgeistchen aufzuhellen. Ein zweiter Blitz war entfesselt auf den Grashintergrund ausgerichtet, um einen hellen Hintergrund zu erzeugen.

Schlehen-Federgeistchen (Pterophorus pentadactyla) im Ruhestadium kurz nach Sonnenuntergang.
100 mm | ƒ/14 | 1/100 s | ISO 400 | entfesselter Blitz | Stativ

Tierverhalten kennen und nutzen

Grundvoraussetzung für die anspruchsvollere Makrofotografie mit Insekten ist die Kenntnis der Lebensweise bestimmter Tiere. Eine Biene finde ich in der Nähe von Blüten, wo es Blattläuse gibt, sind Marienkäfer meistens nicht weit, und im Netz sitzt eine Spinne. Auch diese allgemein bekannten Sachverhalte zählen zur Kategorie der tierspezifischen Lebensweisen. Möchten Sie sich ungewöhnlicheren Spezies fotografisch nähern, ist es unumgänglich, sich mit deren Lebensraum und Verhalten eingehender aus­einanderzusetzen.

Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus) wirken mit ihrer starken Panzerung und den kleinen Augen sehr urzeitlich (Focus Stacking aus fünf Bildern).
100 mm | ƒ/16 | 1/60 s | ISO 400 | Achromat 3 dpt | Blitz + Softbox | Stativ

Recherche zu Lebensraum und Nahrungsquellen

Zunächst können Sie mit einer Recherche im Internet oder in der Fachliteratur beginnen um herauszufinden, an welchen Stellen die gesuchte Art schon öfter beobachtet wurde oder welche besonderen Tiere am geplanten Makroaufnahmeort zu finden sein sollten.
Andere Fotografen und Naturliebhaber geben online reichlich Tipps zu den Fundorten der unterschiedlichsten Spezies. So lernten wir, dass der Schwalben­schwanz zwar besonders geschützt ist, aber in Deutschland als nicht mehr gefährdet gilt und sich gerne auf blütenreichen Wiesen und Trockenrasen aufhält. Als Nektarpflanzen dienen ihm Löwenzahn, Wiesen-Witwenblume, Natternkopf, Schmetterlingsflieder, Rot-Klee oder verschiedene Distelarten. Und tatsächlich, in einem entsprechenden Biotop am Neusiedler See trafen wir mehrere Exemplare dieses wunderschönen Falters an. Den Balkenschröter fanden wir wie zu erwarten an einem umgestürzten Baumstamm am Rand eines Laubwaldes. Er ernährt sich von Baumsäften und legt seine Eier im morschen Holz ab.

Beobachten und Lernen

Spannend gestaltete sich auch die Suche nach dem Dünen-Sandlaufkäfer, der unserer Recherche nach auf einer Binnendüne in der Nähe unseres Wohnortes vor kommen sollte. Der erlösende Ausruf: Sandlaufkäfer! Da ist einer! kam, als wir schon fast nicht mehr an die Anwesenheit der kleinen Krabbeltiere glaubten. Und dann ging das Gekrabbel erst richtig los, wobei wir weniger den Käfer meinen, als eher die auf allen vieren um das Tier herumturnenden Makrofotografie-Enthusiasten. Dabei stellten wir fest, dass die kleinen Jäger im Schatten wesentlich ruhiger wurden. Es war auch kein Problem, wenn es ein Mensch war, der den Schatten mit seinem Körper erzeugte. Also war Teamarbeit angesagt: Einer spendete dem Tier den vermeintlich schützenden Schatten, während der andere sich ganz auf das Fotografieren konzentrierte.

Der Schwalbenschwanz (Papilio machaon) flog von Blüte zu Blüte. Bei einer Pause auf einem mit Flechten bewachsenen Stein hatten wir dann aber endlich die Chance, diesen respektablen Falter fotografieren zu können. Geduld zahlt sich oft aus.
100 mm | ƒ/5,6 | 1/1250 s | ISO 400 | Blitz + Softbox
Dünen-Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida) in der klassischen Aufsicht (links) und als Star-Wars-verdächtiges Monster auf dem Wüstenplaneten (rechts). Making-of-Bild (Mitte): Schattentanz um den Dünensandkäfer 1 herum.
Links: 100 mm | ƒ/10 | 1/80 s | ISO 400 | Blitz + Softbox. Rechts: 100 mm | ƒ/10 | 1/200 s | ISO 200 | Blitz + Softbox

Das kostet Überwindung

Aaskäfer, wie den unten gezeigten Schwarzhörnigen Totengräber, findet man im Allgemeinen an Kadavern von Kleintieren. Stinkmorcheln gehören ebenfalls zu seinen bevorzugten Aufenthaltsorten. So komisch es klingen mag: Suchen Sie halb verweste Mäuse, Maulwürfe und reife Stinkmorcheln, und Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit auf diese Käferart stoßen. Ob Sie ihn mit oder ohne Kadaver ablichten, ist eher eine Entscheidung zwischen der dokumentarischen und der ästhetischen Seele des Fotografierenden.

Den Schwarzhörnigen Totengräber (Nicrophorus vespilloides) entdeckten wir unter einem verendeten Maulwurf und konnten ihn beim Weiterkrabbeln durch die Wiese aufnehmen.
100 mm | ƒ/11 | 1/100 s | ISO 400 | Blitz + Softbox

Geschichten erzählen

Sich eine Weile an einer fotogenen Stelle aufzuhalten birgt die Möglichkeit, Zeuge spannender, lustiger oder auch einmal dramatischer Geschichten im Reich der kleinen Lebewesen zu werden. So erging es uns beim Fotografieren an einem Froschteich. Wer die Amphibien kennt, weiß, dass die Tiere oft regungslos im Wasser verharren und geduldig auf Insekten warten, die sich in ihre Nähe wagen. Dann schnappt der Frosch blitzschnell zu, und weg ist das Insekt – oder auch nicht, denn die von uns beobachtete Hornisse hat den Angriff überlebt. Das Insekt wollte nur mal eben etwas Wasser trinken, nicht ahnend, dass sich ein Teichfrosch neben ihm versteckt hielt. Dann platschte es, und wir hielten mit der Kamera drauf. Wir hatten auf die Aktion spekuliert und daher bereits die schnelle Serienaufnahme, den kontinuierlichen Autofokus und eine kurze Belichtungszeit eingestellt, im manuellen Modus (M) mit ISO-Automatik. In den Bildern zu sehen ist der vergebliche Versuch eines fetten Fangs. Wir konnten die Hornisse dann noch weiterverfolgen, wie sie sich aus dem Wasser rettete, den Körper reinigte und wieder davonflog. Solche Erlebnisse sind das Salz in der Suppe makrofotografischer Fototouren.

Links: trinkende Hornisse (Vespa crabro) 100 mm | ƒ/5,6 | 1/1.000 s | ISO 1.250
Rechts: Der Frosch schnappt zu. 100 mm | ƒ/5,6 | 1/1.000 s | ISO 1.000

Tiere anlocken und fotografieren

Möchten Sie sich bei der Makrofotografie von Kleinlebewesen nicht auf den Zufall verlassen, können Sie die Tiere auf verschiedene Arten und Weisen ­anlocken und damit gleichzeitig besonders günstige Fotosituationen schaffen, um ganz unterschiedliche Bilder umzusetzen.
Um die begehrten tierischen Fotomodelle vor die Kamera zu bekommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Unser Tipp lautet: Bieten Sie entsprechende Nahrungsmittel an, und lassen Sie dazu beispielsweise Blumen sprechen, besser gesagt: duften.

Lilienhähnchen (Lilioceris lilii) im Dreierpack auf einer Feuerlilie, die wir zum Anlocken in unserem Garten gepflanzt haben.
100 mm | ƒ/16 | 1/60 s | ISO 800 | Blitz + Softbox | Stativ

Verführerische Pflanzen und Blüten

Als enthusiastischer Insektenmakrofotograf ist es hin und wieder notwendig, Opfer im eigenen Garten zu bringen. Wir haben uns beispielsweise dazu entschieden, Feuerlilien anzupflanzen, denn dann tauchen im Frühling mit ziemlicher Sicherheit Lilienhähnchen auf. Diese haben mit Geflügel à la Hühnerstall nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um knallrote Blattkäfer, die dem Staudengärtner normalerweise alles andere als willkommen sind. Völlig anders ist das bei uns, denn unsere Lilie diente in erster Linie als Lockmittel. Durch ihre rote Färbung sind die Käfer auf dem Liliengrün hervorragend auszumachen. Wenn Sie die eine oder andere Brennnessel in Ihrem Garten stehen lassen, erhöhen Sie die Chance, dass brennnesselaffine Schmetterlinge darauf ihre Eier ablegen. Dazu zählen beispielsweise das Tagpfauenauge oder der Kleine Fuchs. So können Sie alle Stadien der Tagfalterentwicklung auf bequeme Weise makrofotografisch festhalten und auch unproblematisch ein paar Raupen entnehmen, um sie im Heimstudio von der Verpuppung bis zum Schlupf zu beobachten. Eine einfache Methode, sich die Fotomodelle direkt auf den heimischen Balkon zu holen, besteht darin, bei Insekten sehr beliebte Blüten anzupflanzen oder aufzustellen, wie Lavendel oder Sonnenblumen. Geeignet sind beispielsweise auch (Sommer-)Flieder, Glockenblumen, Wilde Möhre, Disteln, Schafgarbe, Herbstastern, Große Klette oder Margeriten. Dem reichlichen Nahrungsangebot dieser Pflanzen können die wenigsten Nektar saugenden Insekten widerstehen. Dieser Trick gelingt auch auf dem Balkon in der Großstadt. Gefüllte Zierblüten bieten hingegen in der Regel zu wenig Nektar.

Eine Raupe des Tagpfauenauges (Inachis io) beim Verspeisen eines Brennnesselblattes.
100 mm | ƒ/11 | 1/40 s | ISO 800 | Blitz + Softbox
Die eigentlich dämmerungsaktive Gammaeule konnte den duftenden Fliederblüten wohl nicht widerstehen, und wir erhielten ein Actionfoto des Nachtfalters in schönstem Tageslicht.
100 mm | ƒ/7,1 | 1/1.600 s | ISO 2.500 | Blitz + Softbox

Futter.- Nist- und Schutzstellen einrichten

Eine weitere beliebte Methode zum Anlocken von Insekten ist das Bereitstellen von Zuckerwasser, Marmelade oder Honig. Vielleicht sind Ihnen die künstlichen Futterplätze in Zoos und Schmetterlingsparks schon einmal aufgefallen, an denen sich die filigranen Insekten gern ausgiebig aufhalten. Genauso können Sie ein Schälchen mit Zuckerwasser oder Marmelade auf die Wiese stellen und abwarten, was sich tut. Der Nachteil besteht darin, dass man natürlich nur ungern den Behälter mit auf dem Bild hat.
Insofern ist es probater, das Lockmittel auf ein Blatt oder eine Blüte zu streichen. So kann man sich auch gleich den gewünschten Hintergrund aussuchen. Fleischfresser, wie etwa Wespen, lassen sich hingegen hervorragend mit einem Stückchen Wurst anlocken. Diesen Effekt kennt jeder, der schon einmal im Garten oder auf dem Balkon gefrühstückt hat. Für das Anlocken von Nachtfaltern eignen sich Lockmittel, die vergorenes Obst imitieren. Diese können zum Beispiel aus mit Rotwein getränkten Sisalschnüren (wie etwa Kratzbaumseil) hergestellt und an Ästen befestigt werden.

Die Weiße Baumnymphe (Idea leuconoe) wurde mit etwas Zuckerwasser auf eine fotogene Blüte gelockt.
80 mm | ƒ/8 | 1/8 s | ISO 100 | Stativ

Licht als Lockmittel

Wenn Sie an Nachtfaltern, Motten und ähnlichem Getier interessiert sind, sollten Sie ganz auf die Wirkung des Lichts setzen, denn dies ist zweifelsohne ein hervorragendes Mittel, um die flatterhaften Nachtschwärmer anzulocken. So gut wie alle Insekten, die in der Dunkelheit umherfliegen, werden von künstlichem Licht magisch angezogen. So reicht es schon aus, draußen eine Lampe aufzustellen und die umherschwirrenden Tiere mit einem Kescher einzufangen oder das Licht gleich in einer Falle zu installieren. Es versteht sich von selbst, dass Sie die Tiere nach erfolgter Tätigkeit als Fotomodell wieder in die Freiheit entlassen. Noch einfacher ist es, eine Lichtquelle direkt ins Fenster zu stellen und darauf zu warten, was sich Interessantes an der Scheibe niederlässt. So ist uns während unserer Zeit in Wien ein Schlehenspanner zugeflogen, den wir dann sogar ausführlich im Studio fotografieren konnten, bevor wir ihn wieder in den Nachthimmel entlassen haben. Von Vorteil ist dabei, dass viele Falter gern eine Weile mit ausgestreckten Flügeln auf ebenen Flächen sitzen, so dass genügend Zeit für die Aufnahmen bleibt.

Oben: Männlicher Schlehenspanner (Angerona prunaria f. corylaria), beleuchtet im Heimstudio mit zwei Blitzgeräten plus Softboxen.
Unten: Flügeldetail (Focus Stacking aus fünf Bildern).
100 mm | ƒ/8 | 1/250 s | ISO 100 | Zwischenring | Stativ

TIPP

Mit sogenannten Insektenhotels lassen sich teils selten gewordene Wildbienen und Grabwespen anlocken, denn das darin verbaute Nistmaterial bietet perfekt auf die
Tiere zugeschnittene Bruthöhlen. Es finden sich darin zum Beispiel Fächer mit Rundhölzern und Bohrungen für Nisthöhlen, Schilfrohr, Tannenzapfen, Rindenmulch, Holzwolle oder auch Lochziegel. Auch für Marienkäfer, Laufkäfer und Florfliegen gibt es
geeignete Unterschlupfmöglichkeiten, und mit Schmetterlingskästen können Sie verschiedenen Schmetterlingsarten einen Platz zum Schlafen, als Schutz vor schlechtem Wetter oder für die Überwinterung anbieten. Insektenhotels lassen sich fertig in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Einschubelementen kaufen oder auch mit einfachen Mitteln selbst bauen, suchen Sie im Internet nach Insekten­hotel und bauen. Bestenfalls steht das Insektenhotel mehr als 50 cm vom Boden entfernt ganzjährig mit der Vorderseite in Richtung Süden an einem sonnigen und witterungsgeschützten Platz auf dem Balkon oder im Garten.

Beispiel eines Insektenhotels für Wildbienen.