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Palliativmedizin & Hospiz: Der Patientenwille zählt

Palliativmedizin kann Sterbenden und Angehörigen viel Leid ersparen.

Ältere Frau und Schwester, die ihr das Hemd aufkrempelt
Palliativpflege begleitet die letzten Schritte des Lebens. © Getty Images

Elvira Pittelkau hat über 45 Jahre in der Kranken- und Alten- pflege gearbeitet und ist heute Rentnerin. Als ihre Großmutter vor vielen Jahren im Sterben lag, wollte die junge, engagierte Schwester alles Menschenmögliche in die Wege leiten, um das Leben der geliebten Oma zu retten. Doch diese meinte nur: “Kindchen, mach das mal mit deinen Pati- enten. Ich brauche gar nichts mehr und will einfach nur hier zu Hause sterben.” Damit hatte ein wichtiger Lernprozess für Elvira Pittelkau begonnen. Man kann um das Leben eines Menschen kämpfen, doch irgendwann spüren alle Beteiligten: Das Leben neigt sich seinem Ende entgegen.

Ein alter Mann mit Schal umfasst genießerisch eine Tasse Tee. Auf dem Tisch liegen zwei Mandarinen und ein paar Tabletten.
Ein friedlicher, allerletzter Lebensabschnitt, dabei kann die Palliativmedizin helfen. © Pexels / Vlada Karpovich

Die Betreuung sterbender Menschen hat sich in den vergangenen 20 Jahren sowohl medizinisch-pflegerisch als auch rechtlich erheblich verbessert. Ein würdevolles Sterben ist auch zu Hause möglich. Dazu gibt es ein breit aufgestelltes Netzwerk.

Unterstützung durch ein Palliativ-Pflegeteam

Die klassische Sozialstation ermöglicht den Patienten die Pflege in der vertrauten Häuslichkeit, dazu zählt die Unterstützung beim Anziehen und Waschen, die Mitarbeiter übernehmen auch medizinische Leistungen wie etwa die Diabetikerversorgung. Bei Bedarf hilft zusätzlich ein Palliativ-Pflegeteam, das sich auf den letzten Lebensabschnitt eines Menschen spezialisiert hat. “Zu den möglichen Begleiterscheinungen, mit denen sterbende Menschen zu kämpfen haben, gehören Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Ängste oder innere Unruhe”, berichtet Sven Goldbach, Leiter eines Palliativpflegedienstes. Dagegen können entsprechende Medikamente verschrieben werden.

“Sollte es zum Beispiel am Samstagabend zu einer Verschlechterung kommen, ist nicht automatisch eine Aufnahme in einer Klinik nötig. Die Dosierung der Medikamente kann auch nachts und am Wochenende angepasst werden”, erklärt Sven Goldbach.



Eine große Hilfe ist die psychosoziale Betreuung. In vielen Fällen haben die Familien noch gar nicht ganz verstanden, was während einer Sterbephase passiert. Es ist für alle Beteiligten beruhigend zu wissen, dass es auf alle im Raum stehenden Fragen Antworten gibt, wie etwa warum eine weitere Operation nicht mehr zu empfehlen ist oder eine Tumorwunde wahrscheinlich nicht mehr heilen wird und wie diese zu pflegen ist.

Rund um das Lebensende sind allerdings schon recht frühzeitig Vorbereitungen zu treffen, wie etwa die Haushaltsführung. Besonders alleinstehende Patienten werden dazu kaum noch in der Lage sein. Der Einkauf von Lebensmitteln, die Mahlzeitenversorgung, das Wechseln der Bettwäsche, das Sauberhalten von Bad, Küche und Fußböden haben etwas mit der Würde eines Menschen zu tun. Das sollte rechtzeitig organisiert werden, ebenso ein Pflegebett sowie Pflegehilfsmittel.

Zwei junge Pflegekräfte decken einen alten Mann zum Schlafengehen zu.
Palliativ-Pflegeteams unterstützen auch in den eigenen vier Wänden. © Kampus Production

Ehrenamtliche Hospizbegleitung

Einen wichtigen Baustein bilden die ambulanten Hospizdienste. Ehrenamtliche Begleiter bieten regelmäßige Besuche für ein bis zwei Stunden an – zu Hause, im Altenheim oder im Krankenhaus. “Meistens möchten Ehefrauen ihren Partner, der wahrscheinlich nicht mehr lange leben wird, nicht mehr allein lassen”, beschreibt Ulrike Wohlgemuth von Hospizdienst Rügen einen typischen Anruf.

Die leitende Koordinatorin eines ambulanten Hospizdienstes berät aber auch Menschen, die sich grundsätzlich informieren wollen: Eine ältere Dame hatte vor, zum Sterben in die Schweiz zu fahren, wollte dann jedoch zunächst einmal wissen, wie die Versorgung hierzulande aussieht. “Diese Anruferin weiß jetzt, an wen sie sich an ihrem Lebensende wenden kann”, berichtet Ulrike Wohlgemuth. Außerdem rufen Patienten an, die gerade erfahren haben, dass sie mit ihrer Krankheit kaum noch eine Perspektive auf Heilung haben. Sie wollen nicht zum Psychologen, mögen die Angehörigen nicht belasten, sondern brauchen lediglich einen geschulten Zuhörer, der ihnen beim Sortieren der Gedanken zur Seite steht.

Nähere Informationen sind für jedes Bundesland im Internet unter dem Suchbegriff “Hospiz und Palliativmedizin” zu finden.

Palliativmedizin: Der Wille des Patienten zählt

“Wenn es eine medizinische Indikation für den Einsatz von palliativmedizinischen Maßnahmen und Medikamenten gibt, brauchen wir eine Einwilligung”, erklärt Palliativmediziner Dr. Markus Faust. Viele Patienten können das selbst entscheiden und bestimmen, ob sie künstliche Ernährung, Beatmung, eine Herz-Lungen-Wiederbelebung oder intensivmedizinische Behandlung ablehnen oder eine maximale Therapie wünschen.

Sofern Patienten dazu nicht mehr in der Lage sind, entwickeln die Ärzte einen Behandlungsvorschlag, der die Krankheitsumstände, das Alter und die Lebenserwartung berücksichtigt. Dieser Ansatz wird mit den Angehörigen oder dem zuständigen Betreuer besprochen, um ihn mit dem mutmaßlichen Willen des Patienten in Einklang zu bringen. Wer auf Nummer sicher gehen will, regelt das in einer Patientenverfügung mit einem persönlichen Gedanken zur Lebenseinstellung und einer klaren Aussage darüber, ob am Lebensende der Einsatz von Palliativmedizin gewünscht wird.



Was ist eigentlich Palliativmedizin?

Ein häufiger Irrtum: Wenn der Palliativmediziner kommt, werden Todesmedikamente verabreicht und der Patient stirbt schneller. “Das ist komplett falsch”, erklärt der Dr. Markus Faust. Opioide – wie etwa Morphin – werden als Schmerzmittel eingesetzt, helfen aber auch bei Atemnot und Angstzuständen. Symptome, die eng miteinander zusammenhängen. Das Ziel ist eine Linderung, das Leben wird dadurch nicht verkürzt. Trotzdem kann genau das passieren, erklärt der Mediziner: “Wenn ein Patient starke Schmerzen hat, werden Botenstoffe wie Adrenalin produziert. Der Körper steht dadurch unter starkem Stress und versucht, auf natürlichem Weg dagegen anzukämpfen. Werden Opioide gegeben, kann es passieren, dass der Patient schneller stirbt – jedoch nicht aufgrund der Medikamente, sondern weil die Schmerzen nachlassen, der Stresshormonspiegel sinkt und der Organismus entspannt.”

Eine Hand liegt auf einer anderen.
Ruhe und Freundlichkeit sind das A und O – auch wenn es nicht immer leichtfällt, die Nerven zu behalten. © Pixabay / Sabine van Erp

Eine persönliche Entscheidung

Wie viel Opioide werden gespritzt? “Es gibt Tumorpatienten, die nur eine geringe Dosierung haben möchten, um ihnen einen Großteil ihrer Beschwerden zu nehmen. Sie möchten jedoch wach bleiben und vielleicht noch ein paar Schritte gehen. Den verbleibenden geringeren Schmerz nehmen sie in Kauf. Andere sind so voller Angst und schlechter Gedanken, dass sie komplett von ihren Beschwerden befreit werden möchten – auch wenn sie dadurch vermehrt müde sind oder viel schlafen”, weiß Dr. Markus Faust aus Erfahrung.

Zur Grundausstattung in jedem Palliativköfferchen gehören Benzodiazepine. Diese synthetischen Wirkstoffe wirken dämpfend auf das Zentralnervensystem. Sie sind als Schmelztablette unter der Zunge leicht zu verabreichen, wirken innerhalb von wenigen Minuten etwa bei Angst und Luftnot. Auch hier ist eine leichte Dosierung möglich, die bei Bedarf erhöht werden kann. Möglich ist fast alles. Die Frage ist nur, was die Sterbenden möchten.

Konkrete Hilfsangebote bieten zum Beispiel Krankenkassen, wie die AOK, aber auch soziale Träger wie die Caritas.

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