Wenn Rennrad auf Mountainbike trifft, kommt Gravelbike dabei heraus. Die derzeit wohl beliebteste Fahrradgattung fühlt sich nicht nur auf Schotter (Gravelbike = Schotter-Rad) wohl, auch in der Stadt sind die sportlichen Räder mit ihren bis zu 50 mm-dicken Reifen anzutreffen. Aber auch bei Fahrten über Land, etwa bei Radreisen sind die sportlichen. Bikes in ihrem Element. Im Fokus hierbei steht die Reiseform Bikepacking. Dabei ist man eher sportlich unterwegs, das Gepäck beschränkt sich auf ein Minimum.
Wie gut sich fünf aktuelle Gravelbikes auf unterschiedlichem Terrain behaupten, haben die E-Bike- und Fahrrad-Experten von IMTEST auf ausgedehnten Testfahrten in Stadt und Land überprüft und bewertet. Im Labor des akkreditieren Testunternehmen Qima mussten die Gravelbikes dann im wahrsten Sinne des Wortes an ihre Grenzen gehen. Denn dort standen normierte Bremsenprüfungen an. Wie gut die Testkandidaten alle an sie gestellten Prüfungen gemeistert haben, verrät der Test.
Das zeichnet ein Gravelbike aus
Was Gravelbikes so beliebt macht, ist die Möglichkeit, sie für so viele verschiedene Zwecke einzusetzen. Die Schotterräder werden gerne für sportliche Tagestouren, Feierabendrunden oder als Reiserad verwendet, genauer gesagt für Backpacking-Touren. Für diese Reiseform lassen sich sie sich mit Gepäcktaschen ausstatten. Darüber hinaus schießen Clubs und Gravel-Events gerade wie Pilze aus dem Boden, die Menschen mit der Leidenschaft zu diesen Rädern vereinen möchten.
Das Gravelbike-Testfeld im Steckbrief
Die fünf Testkandidaten entstammen dem aktuellen Modelljahr (MY24), beziehungsweise sind schon – wie das Giant Revolt Advanced 3– für das kommende Modelljahr (MY25) anvisiert.
Canyon Grizl CF SL 6
- Rahmen: Carbon mit Carbon-Gabel
- Schaltung: Sram Apex (1×12)
- Bremsen: Sram Apex, hydraulische Schreibenbremsen
- Gewicht: 9,8 Kilogramm
Giant Revolt Advanced 3
- Rahmen: Carbon mit Carbon-Gabel
- Schaltung: Shimano GRX, 2×10
- Bremsen:Shimano, hydraulische Schreibenbremsen
- Gewicht: 9,99 Kilogramm
Liv Devote Advanced 1 M
- Rahmen: Carbon mit Carbon-Gabel
- Schaltung: SRAM Apex (1×12)
- Bremsen: SRAM, hydraulische Scheibenbremsen
- Gewicht: 9,6 Kilogramm
Rose Backroad GRX
- Rahmen: Carbon mit Carbon-Gabel
- Schaltung: Shimano SLX (1×12)
- Bremsen: Shimano, hydraulische Schreibenbremsen
- Gewicht: 9,1 Kilogramm
Stevens Prestige Generation 2
- Rahmen: Aluminium mit Alu-Gabel
- Schaltung: Shimano GRX (2×12)
- Bremsen: Shimano hydraulische
Scheibenbremsen - Gewicht: 11 Kilogramm
Die Besonderheiten der getesteten Gravelbikes
Canyon hat sein Gravelbike mit einem kleinen Highlight ausgestattet, und zwar der elektronischen 12-Gangschaltung Sram Apex XPLR AXS. Sie schaltet unglaublich präzise und schnell. Wer zuvor noch nie mit dieser Schaltung gefahren ist, muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass man auf der rechten Lenkerseite hoch- und auf der linken Lenkerseite herunterschaltet. Durch längeres Drücken schaltet die Sram auch mehrere Gänge in Sekundenschnelle. Ein “Verschalten” ist mit dieser Schaltung kaum möglich, in einigen Situationen mag man allerdings zwischen den Gängen eine noch feinere Abstufung vermissen, wobei das auch eine Gewöhnungssache ist. Übrigens bietet Sram für seine Apex XPLR AXS eine App an, mit der man verschiedene Einstellung vornehmen kann und den Überblick über den Akkustand behält. Ist dieser leer, kann man die entsprechende Komponente einfach heraus klicken und aufladen.
Bike-Hersteller Giant hat die Marke Liv in erster Linie “radelnden Frauen gewidmet” (so der Hersteller). Was aber nicht heißt, dass das 9,6 Kilogramm leichte Carbon-Rad nicht auch männliche Fans finden dürfte.
Weitere Besonderheiten gibt es in der folgenden Bildgalerie zu sehen.
Die Test- und Preis-Leistungs-Sieger
Mit den Gravelbikes unterwegs
- Canyon: Canyon setzt auf einen Rahmen und Gabel aus Carbon. Was ein Gewicht des Bikes nicht nur unter 10 Kilogramm ermöglicht. Die Sitzhaltung ist sportlich, aber trotzdem halbwegs aufrecht, der Lenker griffig, allerdings ist der Sattel recht hart. Es empfiehlt sich daher bereits bei kurzen Touren eine gepolsterte Radhose zu tragen.
- Giant: Das Revolt Advanced bietet eine sportlich-aufrechte Sitzposition, einen angenehmen, wenn auch etwas harten Sattel und ein leichtes Handling. Einzig mit der Schaltung haderten die Tester des Öfteren: Nicht immer flutschten die Gänge reibungs- (bzw. geräusch-) los in die nächsthöhere oder niedrigere Position ein.
- Liv: Im Test erwies sich das Liv Devote Advanced 1 M dann auch als der “Liebling der Redaktion”. Das Gravelbike hinterließ bei Fahrtests auf Asphalt und im Gelände bei den IMTEST Bike-Experten Kathrin Schräer und Horst Schröder gleichermaßen einen richtig guten Eindruck. Dazu zählen: Eine tolle Straßen- und Kurvenlage, sportliches und dennoch angenehmes Fahren auch während langer Strecken – da es einen angenehm zu fassenden und nicht zu dick gewickelten Lenker und einen durchaus bequemen Sattel bietet. Apropos: Durch die absenkbare Sattelstütze findet jede und jeder die optimale Anpassung zischen Körper- und Rahmengröße.
Sehr sportlich vs. sportlich: Worin sich Gravelbikes unterscheiden
- Rose: Auf den ersten Blick zeigt sich das Rose als das schönste Gravelbike im Test. Die sehr sportliche Sitzhaltung mit dem tief positionierten und nach vor gezogenem Lenker führte gerade bei längeren Testfahrten für eine spürbare Spannung im unteren Rückbereich. Auch das sehr dick gewickelte Lenkerband an dem im Unterbereich weit ausgestellten Lenker des Backroad erwies sich auf längeren Strecken als eher störend. Die Lenkerergonomie sorgte bei den Testern nämlich allzu schnell für leicht schmerzende Handgelenke.
- Stevens: Als Rahmenmaterial setzt Stevens für das Prestige voll auf Aluminium, was das Rad zwar auf der einen Seite etwas schwerer und träger macht, aber ihm auch eine gewisse Steifigkeit mitgibt. Wer mit seinem Rad mehrtägige Touren machen möchte, findet sowohl an der Gabel als auch im und auf dem Rahmen mehrere Anschraubpunkte für zusätzliche Taschen oder Getränkehalter. Ebenso gibt es an den Heckstreben Schraubpunkte für einen Gepäckträger. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 130 Kilogramm.
Gravelbike kaufen: Die besten Tipps für Einsteiger
Einsatzzweck, Ausstattung & Preis: Das gilt es für Neulinge zu beachten.
So fahren sich die Gravelbikes auf unterschiedlichen Untergründen
- Canyon: Enge Passagen, wechselnde Untergründe und Bergauf-Fahrten meistert das Carbon-Gravelbike spielend, ebenso ist der Antritt spritzig, dass man sehr schnell in Fahrt kommt. Durch das Carbon und die dicken, griffigen Reifen kann es Unebenheiten gekonnt ausbügeln, was das Fahren sehr angenehm macht.
- Giant: Das Revolt Advanced 3 für das Modelljahr 2025 (MY25) wusste bei den Fahrtests gerade auch auf unwegsamen Untergründen zu punkten. Kopfsteinpflaster-Passagen nahm es mit nur wenigen Stößen gegen Lenker und Sattel und auf Schotterwegen blieb es verlässlich in der Spur.
- Liv: Das Devote Advanced hat nicht zuletzt dank seines Carbon-Rahmens und dicker, griffiger Reifen solides Abfedern bei Fahrten über Kopfsteinpflaster, sicheres Spurhalten auf Schotterpisten sowie eine angenehme Lenker- und Sitzhaltung im Programm.
- Rose: Wenngleich sich das Backroad auf Asphalt im oberen Bereich des Testfeldes einordnete, ruckelte es gerade auf Kopfsteinpflasterpisten die Fahrenden deutlich durch.
- Stevens: Beim Rahmensetzt Stevens voll auf Aluminium. Das macht das Rad zwar auf der einen Seite etwas schwerer und träger als ein Gravelbike aus Carbon, aber gibt ihm auch eine gewisse Steifigkeit mit. Fährt man längere Strecken auf gleichbleibendem Untergrund, erweist sich diese Eigenschaft als ebenso positiv wie in längeren Kurven. Auch auf ein ausreichendes Maß an Dämpfung muss der Fahrer nicht verzichten, die dicken Schwalbe G-One Bite-Reifen schlucken Unebenheiten gut weg.
Die Testergebnisse im Detail
Die Schaltgruppen der Räder im Überblick
Die Kandidaten im Überblick: Die Plätze 1 bis 5
So testet IMTEST Gravelbikes
Um den Komfort, den Antritt oder das Meistern von Steigungsfahrten praxisgerecht zu bewerten, mussten die Gravelbikes ausgedehnte Testfahrten absolvieren. Im hügeligen und unwegsamen Gelände der Harburger Berge südlich von Hamburg oder durch den Hamburger Stadtverkehr. Über Asphalt wie auch über Kopfsteinpflaster sowie auf einer Langstrecke entlang des alten Elbarms der Dove Elbe. Die Fahrt ging hier in Richtung der Elbinseln Altengamme und Neuengamme gelegen im Südosten der Hansestadt.
E-Bikes im Test: Objektiv & unabhängig – so testet IMTEST
Bremsen, Akku, Motor: IMTEST lässt E-Bikes auch im Labor testen.
Aber sind die Bikes auch auf Schotterpisten bergab oder bei Vollbremsungen im Stadtverkehr auch sicher unterwegs? Für die Bewertung der Bremsleistung schickt IMTEST die Testräder auf den Bremsprüfstand von Qima. Dort wird Anlehnung an die Norm EN 15194 die Bremskraft bei trockenen und nassen Bedingungen ermittelt. Sowohl an der Vorderrad-, als auch an der Hinterradbremse. IMTEST veröffentlicht hierzu die Ergebnisse zu den realitätsnahen Prüfungen mit 60 Newton.
Regenjacken-Test: Bestnote für Jack Wolfskin
Im Regenjacken-Test hat IMTEST zehn Modelle auf Wasserfestigkeit, Verarbeitung und Atmungsaktivität untersucht.
Fazit
Der Testsieger Liv Devote Advanced 1 M wusste in vielen Facetten des Tests zu überzeugen: So konnte es den besten Fahreindruck auf Straßen und im Gelände für sich reklamieren. Dank souveräner und sicherer Kurvenlage, spritzigem Antritt, guter Leistung bei Steigungsfahrten, sehr einfachem Handling sowie sehr angenehmen Sitzkomfort. Mit dem 1.200 Euro günstigerem Prestige Gen.2 (2024) von Stevens bekommen Gravelbike-Einsteiger ein grundsolides Rad für Schotterpisten an Ihre Seite. Das sich während des Tests auch im Stadtverkehr oder beim Bikepacking bewährte.